#Degressives Arbeitslosengeld – Teil 1

Wie ist das jetzt mit dem degressiven Arbeitslosengeld?
Einiges an Diskussionen hat ein KURIER-Interview vom 19.7. mit Werner Kogler verursacht. In diesem hat er u. a. angesprochen, dass ein degressiv gestaltetes Arbeitslosengeld ein Modell wäre, das sich durchaus auch Grüne vorstellen könnten.

Wollen die Grünen nun auf einmal das Arbeitslosengeld über den Zeitverlauf kürzen?
Oder gar die Notstandshilfe abschaffen?
Natürlich nicht.

Degressive Arbeitslosengeldmodelle gibt es in fast allen europäischen Ländern: Am Anfang bekommen arbeitslose Menschen ein höheres Arbeitslosengeld – 70, 80 ja teilweise sogar 90 % des Letztbezugs oder der Bemessungsgrundlage – über den Zeitverlauf sinkt das Arbeitslosengeld. In sehr vielen Staaten ist der Arbeitslosengeldbezug zeitlich befristet und geht beispielsweise in eine Sozialhilfe über (z.B. Deutschland).

In Österreich ist die Nettoersatzrate zu Beginn der Arbeitslosigkeit relativ niedrig – nämlich bei 55 % – dafür bei längerem Bezug deutlich höher als im europäischen Schnitt – dank der Notstandshilfe. Und das ist gut so.
Degressiv ist das Arbeitslosengeld in Österreich allerdings bereits heute: Mit der Dauer der Arbeitslosigkeit fallen arbeitslose Menschen in die Notstandshilfe – und die liegt unter dem Arbeitslosengeld. Auch für Österreich ist ein degressives Modell also eigentlich nicht wirklich neu.

Wir Grüne haben uns stets gegen die Abschaffung der Notstandshilfe gestellt und das auch immer wieder gesagt. Wir sind gegen die Zusammenführung von Notstandshilfe und Sozialhilfe, weil damit z. B. die Verwertung von Ersparnissen und Vermögen einhergeht und der Weg aus der Sozialhilfe zurück in einen guten Job schwer ist – Hartz IV ist da ein warnendes Beispiel. Wenn Grüne daher von einem degressiv gestalteten Arbeitslosengeldmodell sprechen, kann das nur bedeuten, dass das Arbeitslosengeld zu Beginn der Arbeitslosigkeit höher ausfallen muss als aktuell. Die z. B. von der Agenda Austria geforderten 45 % Nettoersatzrate bei Langzeitarbeitslosigkeit sind ein Verarmungsprogramm, nichts anderes.
Das wird’s mit uns nicht geben.

Worüber wir gerne diskutieren wollen: Über ein Arbeitslosengeld, das in einer ersten Phase der Arbeitslosigkeit deutlich über den 55 % liegt. Bei 70 oder 80 % zum Beispiel. Damit der Einkommensverlust nicht so drastisch ausfällt wie heute und das Arbeitslosengeld besser gegen Armut schützt. Über den Zeitverlauf und die Dauer kann das Arbeitslosengeld dann schrittweise sinken – aber nicht unter den aktuellen Stand sozialer Absicherung. Wir wollen das Arbeitslosengeld und die Situation für Arbeitslose schließlich verbessern und nicht verschlechtern.

Ob ein derartiges Modell mit der ÖVP umsetzbar ist, weiß ich nicht, wissen wir Grüne nicht. Darüber verhandelt sollte jedenfalls werden. Im schlimmsten Fall bleibt alles so schlecht wie es ist, wie es seit Jahrzehnten ist. Im besten Fall kommt es zu einer substantiellen, nachhaltigen Verbesserung für die unmittelbar von Arbeitslosigkeit Betroffenen.
Das ist es allemal wert darüber intensiver zu reden.