Jetzt wird’s etwas länger weil wieder einmal allerhand Behauptungen zur Pensionserhöhung 2022 durchs Netz schwirren – zu wenig, viel höhere Inflationsrate, Almosen … – hier die Fakten, wie es zu dieser Erhöhung kommt und was die Basis dieser Erhöhung ist. Spoiler: Es gibt dazu sogar ein eigenes Gesetz.
Welche Inflation ist Basis der Erhöhung?
Was vermutlich viele nicht wissen und immer wieder für Verwirrung sorgt: Im Rahmen der Pensionserhöhung wird nicht die prognostizierte Inflation des nächsten Jahres abgegolten sondern die Inflation der vergangenen 12 Monate. Das ist längst nicht nur bei den Pensionen so. Auch bei den Kollektivvertragsverhandlungen wird die Inflation der vergangenen 12 Monate abgegolten, nicht die künftige. Wie hoch der künftige Preisanstieg ausfällt ist ja schließlich nicht bekannt. Die Inflation wird also im Nachhinein abgegolten – bei Kollektivverträgen wie Pensionen. In der Pension ist dieser Inflationsausgleich der sogenannte „Anpassungsfaktor“, der aus dem Durchschnitt der Inflation der letzten 12 Monate – jeweils von August des Vorjahres bis Juli – berechnet wird. (Das Gesetz dazu: https://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/Bundesnormen/NOR40190813/NOR40190813.html)
Für 2022 ergibt das einen Anpassungsfaktor – also einen Inflationsausgleich – von 1,8 %, um den ja auch alle Pensionen mindestens erhöht werden. Die Inflation der kommenden 12 Monate wird mit der nächsten Pensionserhöhung ausgeglichen etc. Heranzuziehen ist der Verbraucherpreisindex – auch das steht im Gesetz.
Liegt die Pensionserhöhung „unter“ der Inflation?
Wenn die Pensionserhöhung auf Basis der Inflationsraten der vergangenen Monate erfolgt, wird also diese abgegolten. Nicht die aktuelle. Nicht die künftige. Ein Erhöhung der Pensionen über 1,8 % stellt also einen realen Einkommenszuwachst bei den Pensionen dar. Niedrige Pensionen gewinnen also mehr Kaufkraft. Die Erhöhung liegt also über der Inflationsrate, nicht unterhalb!
Was hat es dann damit auf sich, dass die Inflation doch aktuell über 3 % liegt? Ja, das ist die Inflation im Monat August 2021. In einem von zwölf Monaten, das für die Berechnung des Anpassungsfaktors 2023 herangezogen wird – wenn dann die Pensionen um die Inflationsrate der Vorperiode angepasst werden. Hohe Inflationsraten in einzelnen Monaten sagen auch noch lange nichts über die Inflationsentwicklung über ein ganzes Jahr hinweg aus. So liegen die Inflationsprognosen für die Jahre 2021 und 2022 zwischen 2,2 und 2,4 %, bzw. zwischen 1,9 und 2,1 % (Bank Austria, OeNB, WIFO, EU-Kommission …). Und nochmals: Die Inflationsrate von Juli 2021 bis 2022 wird mit dem Anpassungsfaktor für 2023 nachholend ausgeglichen. Selbst die aktuelle Erhöhung von 3 % für niedrige Pensionen und die Ausgleichszulage liegen ÜBER der prognostizierten Inflation für 2023.
Aber die 3 % Erhöhung sind doch keine Maßnahme gegen Altersarmut, oder?
Das wichtigste Instrument zur Eindämmung von Altersarmut ist die „Ausgleichszulage“ so was wie eine Mindestpension für Pensionist*innenhaushalte. Eine deutliche Anhebung der Ausgleichszulage ist daher immer ein zentrales grünes Anliegen und wurde auch dieses Mal wieder erreicht.
2021 wurde die Ausgleichzulage erstmals auf 1.000 Euro angehoben – das entspricht 1.167 Euro/Monat (Pensionen werden ja 14 x im Jahr ausgezahlt). Mit der neuerlichen Erhöhung liegt die Ausgleichszulage ab 2022 bei 1.201 Euro/Monat und ist damit noch einmal näher an die Armutsgefährdungsschwelle von aktuell rund 1.328 Euro/Monat herangeführt. Die Lücke zwischen Ausgleichszulage und Armutsgefährdungsschwelle konnte dank der überdurchschnittlichen Erhöhungen der letzten Jahre deutlich verringert werden, was vor allem Frauen zugutekommt. Ein Nebeneffekt der Anhebung der Ausgleichszulage: Auch Mindestsicherung und Sozialhilfe steigen, da sich diese an der Ausgleichszulage orientieren. Die Plus 3 % liegen dabei sowohl über der Inflation der vergangenen Monate als auch über der Prognose für 2022.
Fällt die Pensionserhöhung nicht viel zu hoch aus?
Auch diesen Vorwurf bekommen wir zu hören und er hat sogar zum Rücktritt des Vorsitzenden der Alterssicherungskommission geführt: Die Pensionsanpassung sei viel zu hoch, das mache die Pensionen in Zukunft noch weniger finanzierbar. Fakt ist: die Erhöhung entlang des Anpassungsfaktors ist gesetzlich vorgeschrieben. Die überdurchschnittliche Erhöhung der Ausgleichszulage ist aus Gründen der Bekämpfung von Altersarmut so sinnvoll wie notwendig. Die überdurchschnittliche Erhöhung sollte jedenfalls so lange weitergeführt werden, bis die Armutsgefährdungsschwelle erreicht ist. Öffentliche Pensionssysteme die allen eine Altern in Würde ermöglichen sollen, sind zentrale Eckpfeiler jeder Sozialstaatlichkeit und eine zivilisatorische Errungenschaft.
Abgesehen davon, dass die Projektionen der Zukunft der Finanzierbarkeit der Pensionen seit Jahren annähernd stabil sind: Die Frage der Finanzierbarkeit künftiger Pensionen hängt entscheidend von der Entwicklung und Qualität von Beschäftigung ab – wie hoch die Beiträge der Versicherten sind und welche Zuschüsse die öffentliche Hand leisten muss. Hohe Arbeitslosigkeit und die Zunahme prekärer und atypischer Beschäftigung führen jedenfalls zu niedrigeren Versicherungsbeiträgen und höheren Beiträgen aus den öffentlichen Haushalten. Und letztlich ist die Frage der Finanzierung von Pensionen – und sozialen Sicherungssystemen überhaupt – auch eine Frage der Einnahmenseite: Angesichts der besonders niedrigen bis nicht existenten Vermögensbesteuerung in Österreich besteht hier jedenfalls Spielraum an Einnahmequellen die garantiert sozial treffsicher und umverteilend wirken.