#Die sozialen Auswirkungen der COVID-19 Krise in Europa und eine klare Ansage des Sozialministers

Am 29. Juli gab Sozialminister Wolfgang Mückstein gemeinsam mit AK-Präsidentin Renate Anderl eine Pressekonferenz zum Thema Armut und Armutsbekämpfung in Folge der COVID-19-Pandemie.

Nur wenige Wochen zuvor hat die EU-Kommission ihren Bericht zur Beschäftigung und zur sozialen Lage in Europa 2021 nach dem COVID19-Krisenjahr 2020 veröffentlicht. Die Erkenntnisse dieses Berichts sind nicht wirklich überraschend – bieten allerdings einen guten Überblick über die sozial- und beschäftigungspolitischen Auswirkungen der Corona-Pandemie sowie damit verbundene Herausforderungen für die Zukunft.

    • Die sozialen und wirtschaftlichen Auswirkungen der Krise konnten aufgrund koordinierter Aktivitäten auf nationalstaatlicher und EU-Ebene abgefedert werden. Die Betroffenheit spezifischer Berufs- und Bevölkerungsgruppen sowie Regionen waren dennoch unterschiedlich.
    • In ländlichen Gebieten waren die Arbeitsplatzverluste etwa um das Fünffache höhere als in den Städten. Besonders stark betroffen von steigender Arbeitslosigkeit waren die Tourismusgebiete der Mittelmeerregion.
    • Am „krisenresilientesten“ waren – wenig überraschend – Regionen mit hoher Produktivität, einem hohen Anteil an gut qualifizierten Beschäftigten, mit hohem Investitions- und Forschungsanteil, gut ausgebauten lokalen Institutionen und digitaler Infrastruktur. Über hohe digitale Kompetenz bzw. Intensität verfügt dabei in der EU Schweden, deutlich über dem EU-Schnitt (20 % über Durchschnittsniveau) liegen allerdings auch Staaten wie die Niederlande, Finnland, Dänemark, Deutschland und – Österreich.
    • Wie auch aus Österreich bekannt: Quer über Europa waren Frauen von der Krise stärker betroffen als Männer, nicht zuletzt weil Branchen mit hoher Frauenbeschäftigung (Handel, Gastgewerbe, Tourismus) stärker von der Krise betroffen waren, als andere. Zusätzliche wurden Frauen in der Krise stärker als im „Normalzustand“ wieder in private Betreuungs- und Pflegearbeit gedrängt, mit allen Vereinbarkeitsproblemen von Berufs- und Hausarbeit.
    • Während die „Markteinkommen“ – also Löhne und Gehälter – in Folge der Krise in einzelnen Ländern – auch in Österreich – in Folge von steigender Arbeitslosigkeit, Lock-Downs etc. teilweise starke Einbrüche hinnehmen mussten, konnten diese Einkommensverluste der Privathaushalte insgesamt dank öffentlicher Interventionen (Kurzarbeit, Erhöhung sozialer Transfers) deutlich gemindert werden. Die Einbrüche bei den verfügbaren Haushaltseinkommen fielen wesentlich geringer aus als bei den „Markteinkommen“.

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    • Die Einkommensverluste fielen bei einkommensschwachen Haushalten aufgrund sozialstaatlicher Transfers relativ geringer aus, als bei einkommensstärkeren. Der Grund dafür ist einfach erklärt: ärmere Haushalte  sind stärker von öffentlichen Leistungen (Sozialhilfe, Arbeitslosengeld, Pensionen) abhängig als reichere. Krisenbedingt höhere Sozialleistungen wirken sich natürlich entsprechend positiv auf die Haushaltseinkommen aus. So verzeichnete in Österreich etwas das einkommensschwächste Zwanzigstel der Haushalte aufgrund Maßnahmen wie der Anhebung der Notstandshilfe oder der Einmalzahlungen bei Arbeitslosengeld und  Familienbeihilfe sogar geringfügige Zuwächse beim Haushaltseinkommen.

Ist möglicherweise ein Bild von Text „Chart 2.12 Lower-income households faced the largest losses in market income, but relatively smaller losses in disposable income Change in market and disposable incomes by income quintile (%) Q1 Q2 Q3 Market Income Q4 Q5 Disposable Incomne Total Note: Quintile points are fixed to their baseline level. Source: Calculations by the European Commission's Joint Research Centre using EUROMOD 13.0+, see Christl et. al 2021) Click here to download chart.“

    • Die Armutsgefährdungsquote in der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter ist relativ stabil geblieben. In Folge der Krise wird allerdings in etwa der Hälfte der EU-Mitgliedsstaaten – auch in Österreich – ein Anstieg der Armutsgefährdung befürchtet. Dabei ist die Armutsgefährdung bei Nicht-EU-Bürger*innen deutlich höher ausgeprägt als bei Inländer*innen.
    • Österreich gilt als eines jener EU-Länder, dass die Sozialpartner relativ stark in der Krisenbewältigung eingebunden hat und in dem der soziale Dialog (z.B. Abschlüsse von Kollektivverträgen) nicht unter der Krise gelitten hat.
    • Tatsächlich überraschend: In Österreich (wie z.B. auch in Griechenland, Italien oder den Niederlanden) liegen die mittleren Einkommen der Beschäftigten in versorgungsrelevanten Berufen im Vergleich zu Arbeitnehmer*innen nicht-versorgungsrelevanter Berufe über dem EU-Schnitt – zugunsten der Beschäftigten in der „kritischen Infrastruktur“. Zum Nachteil versorgungsrelevanter Berufe ist die Einkommenslücke in Ländern wie Dänemark, Schweden, Ungarn oder auch Luxemburg.

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Regierungsziel – „Halbierung der Armut“, nicht des Arbeitslosengeldes

Der Ausbruch einer tiefgreifenden soziale Krise in Folge der Pandemie konnte in Österreich bislang glücklicherweise verhindert werden. Die Einkommensverluste und damit ein massiver Anstieg der Armutsgefährdung der Privathaushalte konnte dank Maßnahmen wie Kurzarbeit, Arbeitslosen- und Notstandshilfeerhöhungen, erhöhter Familienbeihilfe, Erhöhung der „Mindestpension“ und damit auch der Sozialhilfe und Senkung des Einstiegssteuersatzes in engen Grenzen gehalten werden. Laut Statistik Austria fielen die Einkommensverluste der Privathaushalte 2020 mit minus 1,8 % deutlich geringer aus, als der Einbruch der Wirtschaft mit minus 6,6 %. Der Sozialstaat hat gewirkt, die Sozialquote hat – wenig überraschend in Krisenzeiten – einen Rekordwert erreicht.

Ein Anstieg der krisenbedingten Armutsgefährdung ist allerdings zu erwarten. Das macht das Regierungsziel, die Armut zu halbieren, nicht leichter. Insbesondere bei einem Koalitions“partner“ der bislang eher durch Maßnahmen und Forderungen aufgefallen ist (türkis-blaue Sozialhilfereform, Forderung nach Kürzungen bei Arbeitslosengeld und Notstandshilfe, Wunsch nach verschärften Zumutbarkeitsbestimmungen …) die Armut, sozialen und finanziellen Druck sowie soziale Ausgrenzung verschärften statt abbauen. So musste schon am Höhepunkt der COVID19-Krise jede sozial- und arbeitsmarktpolitische Maßnahme zugunsten der Betroffenen der ÖVP mühsam abgerungen werden – was sie natürlich dennoch nicht daran hinderte als die „ihrige“ zu verkaufen.

Umso wichtiger, dass der Sozialminister einmal mehr klar gestellt hat, dass es mit den Grünen weder Kürzungen beim Arbeitslosengeld, noch weitere Verschärfungen bei den Zumutbarkeitsbestimmungen – Österreich hat ohnehin trotz oder vielleicht sogar wegen langjähriger sozialdemokratischer Dominanz in den Arbeitsministerien ohnehin mit die schärfsten in Europa – geben werde. Klares Ziel der Regierung sei die Halbierung der Armut, und dabei sei weniger Arbeitslosengeld „nicht zielführend“, schon gar nicht in einer Krise, führte Mückstein ein. Um mehr Menschen in Beschäftigung zu bringen sein einer Verbesserung der Arbeitsbedingungen jedenfalls der Vorzug vor härteren Zumutbarkeitsbestimmungen. Er glaube nicht, „dass man hier mit Druck etwas erreicht“.  Und das klare grüne Statement: „Und das wird es mit den Grünen auch nicht geben.“

Dass es die ÖVP trotzdem versuchen wird, ist anzunehmen. Dass sie alles versuchen werden ist auch zu erwarten. Wer so eine „Sozialhilfe“ beschließt, der wird auch beim Arbeitslosengeld nicht locker lassen. Der hat eine politische Agenda und die verspricht für arme Menschen nichts Gutes. Wir werden uns allerdings entschieden dagegenstemmen.

Wir haben den ÖVP-Plänen schon öfter eine klare Absage erteilt. Wir haben in der Krise erfolgreich Maßnahmen gesetzt, um die soziale Lage von Armutsbetroffenen und Arbeitslosen zu verbessern. Und wir haben bislang schlimmere Einschnitte ins soziale Netz erfolgreich verhindert. Und das wird auch in Zukunft so sein.

Link zum STANDARD-Bericht zur Pressekonferenz von Mückstein/Anderl

Zum Bericht der EU-Kommission zur Beschäftigung und zur sozialen Lage in der EU 2021