#FPÖVP und Arbeitslose: Es ‚hartzt‘ in Österreich … (II)

Und ewig grüßt das Murmeltier. Die ÖVP startet den gefühlten hundertsten Anlauf zu einer „Arbeitsmarkt“-Reform. Alles, was wir Grüne erfolgreich verhindert haben, soll jetzt endlich mit der FPÖ durchgezogen werden. Da will die FPÖ nicht nachstehen. Weil „bösartig“ kann sie auch. Dass im geleakten Regierungsprogrammentwurf aktuell noch einiges auf „rot“ steht, soll nicht darüber hinwegtäuschen, dass vieles von dem, was droht, schon 2017 im Kurz-Strache’schen Regierungsprogramm zu finden war.

Wenn ÖVP und FPÖ die Arbeitslosenversicherung und das AMS reformieren, kann man davon ausgehen, dass für Arbeitslose nichts Gutes rauskommt. Im Gegenteil. ÖVP-Reformvorschläge sind stets eine Mischung von Bösartigkeit, wirtschaftspolitischer Unvernunft und – sobald die FPÖ dabei ist – zusätzlich aufgeladen um eine ordentliche Portion Fremdenfeindlichkeit. Die ÖVP erhofft sich einerseits Milliardeneinsparungen für arbeitgeberseitige Lohnnebenkostensenkungen. Andererseits soll im Auftrag der Wirtschaft bei Arbeitslosen die Daumenschraube angezogen werden. Warum Arbeitsbedingungen verbessern, Löhne erhöhen, ja, warum sollen sich die Unternehmen um Mitarbeiter:innen bemühen, wenn’s mit Druck, Sanktionen, Kürzungen und Sperren auch und viel einfacher geht? Von der FPÖ ist da nicht allzu viel Widerstand zu erwarten, solange es „Ausländer:innen“ noch härter trifft. Und das ist jedenfalls garantiert.

Arbeitsmarktreform: Alter Wein in neuen Schläuchen

Bereits bekannt: Die FPÖ und ÖVP wollen unter dem Titel „Budgetkonsolidierung“ die Bildungskarenz und Zuverdientsmöglichkeiten bei Arbeitslosigkeit abschaffen. Für beides gilt: Der Beitrag zur Budgetsanierung ist enden wollend und die Totalabschaffung ist nur mäßig intelligent, um nicht zu sagen sogar in vielerlei Hinsicht kontraproduktiv (mehr dazu hier). Für die ÖVP allerdings ein wichtiger Etappensieg. Der FPÖ, die in Oppositionszeiten das noch abwechselnd als „herzlos“, „eiskalt“ oder „neoliberal“ bezeichnete, ist dies inzwischen nicht einmal mehr ein Schulterzucken wert.

Was noch auf dem Wunschzettel der ÖVP steht:

    • Da ist einmal die aufkommensneutrale, degressive Gestaltung des Arbeitslosengeldes – degressiv meint: zu Beginn höher, dann über den Zeitverlauf sinkend. Die Aufkommensneutralität funktioniert natürlich nur – sollte die Nettoersatzrate am Anfang höher als aktuell liegen – wenn es eine Wartefrist gibt. Was wiederum absurderweise ausgerechnet jenen Arbeitslosen besonders hohe Verluste bringt, die rasch einen neuen Job finden und nur kurz ALG beziehen. Personen die länger arbeitslos sind, sind jedenfalls negativ betroffen.
    • Notstandshilfe und die Rumpf-Sozialhilfe sollen – ganz nach deutschem Hartz 4-Vorbild – zusammengeführt werden. Notstandshilfe soll es noch maximal ein Jahr geben, dann ist Schluss, dann kommt Hartz 4 auf österreichisch: Aus der Versicherungsleistung Notstandshilfe wird die Sozialleistung Sozialhilfe. Das heißt: Bedarfsprüfung, Vermögensverwertung, Einkommensanrechnung. Für Haushalte mit Angehörigen, die aufgrund gesundheitlicher oder psychischer Probleme länger arbeitslos sind, natürlich besonders hart. Haushalte, die von Langzeitarbeitslosigkeit betroffen sind und als besonders armutsgefährdet gelten, geraten finanziell und existenziell noch mehr unter Druck. Das ist ein Programm, mit dem Menschen in die Armut getrieben werden.
    • Wenn Krankenstände in der Arbeitslosenversicherung – wie ebenfalls von der ÖVP gewünscht – nicht mehr den Leistungsbezug verlängern (weil Betroffene statt ALG Krankengeld erhalten) bedeutet das natürlich ebenso, dass Menschen mit länger dauernden gesundheitlichen Problemen schneller in die Sozialhilfe mit all den oben erwähnten Problemen fallen.
    • Eine ÖVP-Forderung, die es auch besonders in sich hat: der Wegfall der Ergänzungsbeträge. Was ist damit gemeint? Aktuell gilt: Bei Arbeitslosen, die ein Arbeitslosengeld unter der Ausgleichszulage (aktuell 1.273,99 Euro/Monat) beziehen, erhöht sich die Nettoersatzrate auf bis zu 60 %, bei zusätzlichem Bezug von Familienzuschlägen auf bis zu 80 %. ‚Deckel‘ ist jedenfalls die Ausgleichszulage. Deutlich über der Hälfte der Arbeitslosen – nämlich all jene, die mit ihrem Arbeitslosengeldanspruch unterhalb der Ausgleichszulage liegen – profitieren von diesen Ergänzungsbeträgen. Ein Beitrag, das Arbeitslosengeld wenn schon nicht armutsfest, zumindest etwas „armutsfester“ zu machen. Geplant ist die Streichung der Ergänzungsbeträge. Fallen diese weg, führt das natürlich zu massiven Kürzungen für eine Mehrheit der Arbeitslosen! Diese müssten nun entweder um Sozialhilfe aufstocken – wenn sie die Voraussetzungen erfüllen. Was die Länder mehr Geld kosten würde. Falls keine Voraussetzungen für die Sozialhilfe erfüllt sind, führt die Abschaffung der Ergänzungsbeträge jedenfalls zu erheblichen Einkommensverlusten. Und das trifft wieder einmal vor allem Niedrigverdiener:innen und Teilzeitbeschäftigte – weil deren Arbeitslosgengeld logischerweise auch niedriger ausfällt. Und Frauen. Eine unspektakulär klingende Maßnahme mit enormer Wirkung.

Wie bereits erwähnt: Diese ÖVP-Forderungen stehen aktuell im FPÖVP-Verhandlungspapier noch auf „rot“, es besteht also noch kein Einvernehmen. Viele dieser Punkte kommen uns allerdings bekannt vor: Nicht nur weil es die ÖVP auch bei uns „versucht“, aber auf Granit gebissen hat. Sondern weil etliche der ÖVP-Forderungen bereits im Kurz-Strache Regierungsprogramm festgeschrieben waren.

Was bereits als vereinbart gilt, ist eine weitere Bösartigkeit – wohl auf dem Mist der FPÖ gewachsen, aber von der ÖVP offensichtlich wohlwollend zur Kenntnis genommen:

    • Demnach ist als Ziel formuliert, Drittstaatsangehörige mit Aufenthaltstiteln, die aus einer Beschäftigungsbewilligung begründet sind und länger als sechs Monate arbeitslos sind, abzuschieben.  Auch wenn noch nicht ganz klar ist, was dieser Passus konkret bedeutet: Das Ansinnen, wonach „Ausländer:innen“ bei Arbeitslosigkeit möglichst rasch außer Landes zu bringen sind, steht seit jeher ganz oben auf der politischen Tagesordnung der FPÖ. Was für Betroffene heißen würde: Verlust der neuen Heimat. Verlust der Existenz. Verlust des  sozialen Anschlusses.  Abgesehen von der menschlichen Härte:  In- wie Ausländer:innen zahlen in die gleichen Arbeitslosenversicherung ein und haben damit gleiche Ansprüche auf Versicherungsleistungen. Das Abschieben nach sechs Monaten Leistungsbezug wäre wohl gleichheits- und europarechtswidrig. Das scheint zumindest der FPÖ egal zu sein:  Es geht um Symbolpolitik. Gegen „Ausländer“. Vermeintlicherweise, denn …
Aus dem geleakten FPÖ-ÖVP Verhandlungspapier.

Ja, denn: Das FPÖVP-Vorhaben der Abschiebung bei längerer Arbeitslosigkeit ist noch aus anderen Gründen perfide: Wer Angst davor hat, bei Jobverlust abgeschoben zu werden, der/die wird natürlich alles tun, möglichst nicht den Job zu verlieren. Auch hinnehmen, dass seine/ihre Arbeitsrechte verletzt werden. Das bringt allerdings auch Rechte aller anderen unter Druck. Wer wird wohl eher eingestellt? Wer bereit ist hinzunehmen, was eigentlich nicht hinnehmbar ist, weil einfach die Angst zu groß ist Arbeit, Einkommen und Aufenthalt zu verlieren? Oder wer seine Rechte lautstark einfordert? Was FPÖVP da vereinbart haben, ist jedenfalls ein Bärendienst gegenüber den Arbeitgeber:innen in ihrer Gesamtheit. Wieder einmal geben sie vor, „eh“ nur auf Ausländer:innen abzuzielen – getroffen werden aber alle.

Das zynische Verarmungsprogramm aus der Reform der Sozialhilfe soll sich – geht’s nach dem Verhandlungspapier – auch bei Arbeitslosen fortsetzen. Ein Grund mehr, warum FPÖ und ÖVP dieses Land nicht regieren dürfen. Denn wenn gilt, dass sich der Zivilisationsgrad einer Gesellschaft im Umgang mit den „Schwachen“ bemisst, werden wir zivilisatorisch weit zurückgeworfen.