#Freie Dienstnehmer:innen in Kollektivverträge? Ja, aber …

Jetzt sollen also künftig Freie Dienstnehmer:innen (FD) in Kollektivverträge einbezogen und somit die Gewerkschaften ermächtigt werden, Mindestentgelte für diese atypische Beschäftigtengruppe zu verhandeln. Ich gestehe: Da schlagen zwei Herzen in meiner Brust.

 

    • Das eine Herz sagt: Ja endlich! Freie Dienstverträge wurden und werden oft genug von Arbeitgebern zur Umgehung regulärer Beschäftigungsverhältnisse benutzt. Freie Dienstnehmer:innen kommen Arbeitgebern dabei deutlich billiger als normale Angestellte oder Arbeiter:innen: Kein 13./14. Monatsgehalt, kein bezahlter Urlaub, keine Arbeitszeitregelungen, keine Wochenend- und Überstundenzuschläge, keine Entgeltfortzahlung im Krankenstand … da ist jede Maßnahme, die zu einer arbeits- und sozialrechtlichen Verbesserung für betroffene Freie Dienstnehmer:innen führt, einmal grundsätzlich zu begrüßen. Und natürlich auch jede Maßnahme, die es Arbeitgebern unattraktiver macht, reguläre Beschäftigungsverhältnisse zu ‚umgehen‘ und stattdessen auf Freie Dienstverträge zu setzen – wie etwa im Fall Lieferando. Und weil Freie Dienstnehmer:innen  ja als ‚arbeitnehmerähnlich‘ gelten und Kollektivverträge für die Lohnfindung und – festsetzung zuständig sind, ist es nur schlüssig, jetzt auch Freie Dienstnehmer:innen in die Kollektivverträge aufzunehmen.
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    • Das andere Herz sagt: Achtung! Die Einbeziehung Freier Dienstnehmer:innen in Kollektivverträge kann nämlich auch zu einer Legitimierung und Normalisierung dieser atypischen Beschäftigungsform führen und stellt damit Freie Dienstverträge auf eine Ebene mit gut regulierten Arbeitsverträgen, wie sie etwa Angestellten und Arbeiter:innen haben. Ob man das tatsächlich wollen sollte? Ziel sollte ja wohl sein, atypische Beschäftigung zurückzudrängen, statt zu normalisieren. Wie gegen eine sozial- und arbeitsrechtlich schlecht abgesicherte Beschäftigungsform vorgehen – die übrigens auch reguläre Beschäftigung unter Druck setzt – wenn für sie gleichzeitig verhandelt wird? Und wir wissen auch: Kollektivvertragsverhandlungen sind ein Geben und Nehmen und hängen insbesondere von den Kräfteverhältnissen in der jeweiligen Branche ab. Branchen mit einem hohen Prozentsatz an atypisch Beschäftigten sind oft jene, mit schwächerer gewerkschaftlicher Verhandlungsmacht. Da stellt sich die Frage, wie da für Freie Dienstnehmer:innen gute Ergebnisse erzielt werden sollen, ohne andere Errungenschaften aufzugeben. Gewonnen ist mit der Verankerung von Freien Dienstnehmer:innen in Kollektivverträgen also noch lange nichts.

Es ist also durchaus kompliziert. Weit weniger kompliziert: Dass Freie Dienstnehmer:innen künftig in Kollektivverträgen einbezogen sind, ist keine Ersatz für die möglichst rasche Umsetzung der EU-Plattformrichtlinie. Will man Atypisierung und Freie Dienstverträge zurückdrängen und faire Arbeitsbedingungen durchsetzen, müssen entsprechende Mauern aufgezogen werden, die eine weitere Erosion regulärer Beschäftigung verhindern. Und weil die Plattformökonomie boomt und mit ihr atypische Beschäftigung und Freie Dienstverträge, muss hier rasch gehandelt werden um soziale und Arbeitsrechte auch in dieser Branchen zu sichern und prekäre Beschäftigung zu verhindern – damit Fälle wie „Lieferando“ nicht mehr möglich werden.Hier ist das Arbeits- und Sozialministerium jedoch trotz getätigter Versprechen säumig.
Hier ist rasches Handeln – gerade auch im Sinne der betroffenen Beschäftigten, denen wesentliche Rechte vorenthalten werden bzw. genommen wurden – dringend notwendig.
Ziel sollte schließlich sein, erst gar nicht FD entstehen zu lassen, die dann erst wieder in Kollektivverträgen mühsam und mehr schlecht als recht abgesichert werden müssen. Wir werden dahingehend jedenfalls weiter Druck machen.