#Legal, illegal, sch…egal? Wie FPÖ und ÖVP Schwarzarbeit legalisieren wollten

Blauschwarz ist inzwischen Geschichte. Es wird keinen rechtsextremen Kanzler geben.  Und damit auch kein blauschwarzes Regierungsprogramm der hundert Grauslichkeiten. Nun beginnt der Verhandlungsreigen von vorne. Nichtdestotrotz: Ein Blick und Analyse der blauschwarzen Pläne macht dennoch nach wie vor Sinn. Weil die ÖVP – wie das Amen im Gebet – wohl auch bei den potentiellen nächsten Regierungspartnern versuchen wird, „Herzensanliegen“ durchzusetzen. Eines davon: Die Legalisierung von Schwarzarbeit in Gastronomie und Tourismus. Ja, richtig gehört! Noch einmal: Die ÖVP wollte Schwarzarbeit legalisieren. Und es ist fix davon auszugehen, dass sie es weiter wollen wird. Doch mehr dazu … 

Der Vorschlag stammt aus der Corona-Mottenkiste und wurde anlässlich der ÖVP-FPÖ-Regierungsverhandler:innen wieder hervorgekramt: Es sollte eine neue, praktisch steuer- und sozialversicherungsfreie unselbständige Beschäftigungsform OHNE soziale Absicherung oder Schutz durch das Arbeitsrecht geschaffen werden. Landläufig wird so etwas „Schwarzarbeit“ genannt. Die Beschäftigung sogenannter „Aushilfskräfte“ (vordergründig in Tourismusbetrieben) sollte wesentlich erleichtert werden. Und zwar so: Menschen sollen an bis zu 18 Tagen im Jahr de facto abgaben- und steuerfrei hinzuverdienen können, sofern sie zu dieser Zeit anderswo vollversichert sind. Was für Arbeitnehmer:innen als unbürokratischer Zuverdienst daherkommt, ist für Dienstgeber:innen ein Modell legalisierter Schwarzarbeit: Sie sollen mehrere Personen auf diese Weise beschäftigen dürfen (aber eben jede dieser Personen nicht mehr als 18 Tage im Jahr), und können deren tatsächliche Beschäftigung im Nachhinein melden sowie Beitragspflichten mit einem geringen Pauschalbetrag abgelten. Von WKO-Vertreter:innen gefordert wurde dieses Modell im Sommer 2020 quasi als „Hilfe“ zur Überwindung der Corona-Krise im Tourismus. Das dazugehörige Narrativ: ‚Wenn überraschend am Sonntagnachmittag eine Reisegruppe daherkommt, brauch ich schnell eine zusätzliche Arbeitskraft und die kann ich nicht mehr vor Arbeitsantritt anmelden. Wenn ich überhaupt wen finde, denn mit den ganzen Beiträgen und Steuern zahlt sich das ja gar nicht aus für die Aushilfskraft.‘

Die Erzählung ist konstruiert und unsachlich, unter anderem, weil es bereits eine stark vereinfachte Anmeldemöglichkeit für sogenannte „fallweise Beschäftigte“ (§ 33 Abs. 3 ASVG) gibt: Diese kann auch telefonisch erfolgen und muss innerhalb der folgenden sieben Tage ergänzt werden. Derartige Beschäftigungen gelten als jeweils einzelne Beschäftigungsverhältnisse, sodass z.B. über mehrere Tage verteilt die Geringfügigkeitsgrenze überschritten werden kann, ohne dass daraus ein vollversichertes Beschäftigungsverhältnis entsteht.

Hinzu kommt, dass sich derartige Sonderregeln selbstverständlich nicht auf einzelne Branche reduzieren lassen. Wenn das im Tourismus möglich ist, muss das schon aus verfassungsrechtlichen Gründen jede andere Branche auch dürfen.

Heißt: Wenn Wirtschaftskammer, ÖVP und FPÖ eine gesetzliche Veränderung mit einem Narrativ herbeiführen wollten, das schon fast vollständig umgesetzt ist, mussten sie einen Hintergedanken haben.

„Null-Stunden-Verträge“ auch in Österreich?

Tatsächlich würde eine neue Beschäftigungsform geschaffen, mit dem Menschen Brutto für Netto entlohnt werden können, ohne dass substantielle Diensgeber:innenbeiträge anfallen. Während diese Option für die Beschäftigten mit achtzehn Tagen im Jahr begrenzt wäre, könnten Dienstgeber:innen auch vollständig auf ein derartiges Modell abstellen und dabei Dienstgeber:innenbeiträge zur Sozialversicherung zumindest erheblich reduzieren, jedenfalls aber ohne auf Urlaub, Krankenstände oder sonstige Erscheinungen in Normalarbeitsverhältnissen Rücksicht nehmen zu müssen. Es entstünde eine neue Beschäftigungsform, die weitgehend den Null-Stunden-Verträgen im Vereinigten Königreich entspräche. Bezahlt wird nur tatsächlich geleistete Arbeit ohne Anspruch der Dienstnehmer:innen, dass jemals eine solche wirklich geleistet werden kann, und ohne fast alle anderen arbeitsrechtlichen Ansprüche, die Arbeitnehmer:innen in Österreich haben. Dienstnehmer:innen würden auch keine Pensionsansprüche erwerben.

Neben dem Umstand, dass die von FPÖ und ÖVP angestrebte Maßnahme das Normalarbeitsverhältnis und das Arbeitsrecht durchlöchert und unsicherer gemacht hätte, verbilligt es für Unternehmen die Beschäftigung von Menschen in Zweitjobs und macht die Schaffung neuer Jobs für arbeitslose Menschen in einigen Bereichen unattraktiv, weil deutlich teurer für das Unternehmen. Angesichts steigender Arbeitslosenzahlen und einem Arbeitslosigkeitsrisiko von 20%  für Menschen mit geringer formaler Ausbildung (heißt: für fünf Menschen in der Gruppe mit Pflichtschule als höchstem Abschluss stehen nur vier Jobs zur Verfügung; jeweils 20% müssen immer arbeitslos sein), erscheint es als wenig zielführend, einen Teil dieser ohnedies zu wenigen Jobs dann auch noch auf Menschen aufzuteilen, die bereits einen anderen Job haben. Genau das aber hätte der Vorschlag von WKO, FPÖ und ÖVP zwangsläufig zur Folge gehabt.

Einmal mehr gilt: Gut, das blauschwarz gescheitert ist. (**)