Wieder mal Zeit der Superlativen. Es sei die „größte Pensionsreform“ seit 20 Jahren prahlte der NEOS-Klubobmann und sein ÖVP-Pendant nickte eifrig Zustimmung. Sichtbar stolz waren die beiden auf das Präsentiert, die SPÖ-Sozialministerin fand es da gar nicht notwendig, anwesend zu sein. Nun, Gigantomanie war angesichts des Präsentierten eigentlich nicht wirklich angebracht angesichts der Größe des Pakets. Mehr als „Nichts“ ist es allerdings allemal. Was planen nun schwarz-rot-pink ganz konkret?
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- Die Antrittsvoraussetzungen für die Korridorpension werden verschärft: Das Antrittsalter schrittweise von 62 auf 63 Jahre erhöht, die notwendigen Versicherungsjahre von 40 auf 42.
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- Die Erstvalorisierung – also die erste Inflationserhöhung bei Pensionsantritt – wird künftig nicht „aliquotiert“ (zur Erinnerung: Diese Regelung trat aufgrund der Teuerung nie in Kraft) sondern wird auf 50 % der zugrundeliegenden Inflationsrate vereinheitlicht.
Angekündigt – aber noch nicht in Begutachtung, weil es noch keine Gesetzesentwürfe dazu gibt – wurden die Einführung
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- einer Teilpension: Menschen die das Pensionsantrittsalter (egal ob vorzeitiges oder reguläres) erreichen sollen künftig auch nur einen Teil ihrer Pension bei gleichzeitiger Weiterarbeit (Teilzeit) beziehen zu können. Der aufgeschobene Teil der Pension kann dann z.B. ab 65 ohne Abschläge bezogen werden.
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- Und eines Nachhaltigkeitsmechanismus: Nachfolgende Regierungen sollen zu Handlungen im Bereich der Pensionen gezwungen werden, sollten Maßnahmen der aktuellen (!) Regierung nicht ausreichen, Pensionsausgaben zu dämpfen. Und das am besten – geht es nach den NEOS – über einen verfassungsgesetzlich abgesicherten Pensionsautomatismus.
Eine Bewertung der einzelnen Vorhaben aus grüner Sicht:
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- Die Einführung einer Teilpension ist zu begrüßen, da es tatsächlich ein attraktives Angebot wäre, noch über den Pensionsantritt hinaus länger (Teilzeit) zu arbeiten. Wie soll die von der Regierung angekündigte Teilpension aussehen? Wer ein gesetzliches Pensionsantrittsalter erreicht, kann sich entscheiden, nur einen Teil der Pension (vorgesehen sind 25, 50 oder 75 %) in Anspruch zu nehmen – z.B. 50 % – und mit 50 % des bisherigen Stundenausmaßes weiterzuarbeiten. Sie/Er erwirbt so zusätzliche Pensionsansprüche (nämlich für die 50 % Erwerbseinkommen) und damit auch eine höhere Pension als im Vergleich zur aktuellen Situation. Die/der Betroffene geht also insgesamt später in Pension, zahlt länger Beiträge und entlastet so das Budget.
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- Maßnahmen zu setzten, das effektive Pensionsantrittsalter näher an das gesetzliche heranzuführen sind so richtig wie wichtig und betreffen natürlich auch den Zugang zur vorzeitigen Alterspension – wie etwa der Korridorpension. Wer aber allein das Antrittsalter zur Korridorpension anhebt, zäumt das „Pferd von hinten“ auf. Um Menschen länger in Beschäftigung zu halten reicht es nicht das Antrittsalter der Korridorpension anzuheben – es dazu braucht es (alternsgerechte) Arbeitsbedingungen, die längeres Arbeiten bei guter Gesundheit ermöglichen – und es braucht vor allem Betriebe, die ältere Arbeitnehmer:innen auch beschäftigen. Wirkungsvolle Maßnahmen, Menschen länger in Erwerbsarbeit zu halten, fehlen allerdings bislang. Ältere Arbeitslose künftig mit 63 statt mit 62 in Pension gehen zu lassen, wird ja wohl hoffentlich nicht das Ziel sein und wäre auch weniger ‚Reform‘ als vor allem zynisch. Neben guten Jobs für älterer Menschen sollte begleitend auch ein Bonus-Malus-System umgesetzt werden – nach dem Prinzip: Unternehmen, die unterdurchschnttlich wenige ältere Beschäftigte anstellen, sollen zusätzliche Beiträge zur Arbeitslosenversicherung leisten. Unternehmen, die dagegen überdurchschnittlich viele ältere Arbeitnehmer:innen beschäftigt haben, sollen belohnt und gefördert werden. Damit würden auch unternehmensseitig entsprechende Anreize zur Beschäftigung älterer Arbeitnehmer:innen gesetzt.
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- Den Plan eines in Verfassungsrang festgeschriebenen Pensionsautomatismus, der nachfolgende Parlamentsmehrheiten zur Einhaltung des von der SPÖ-ÖVP-NEOS-Regierung angestrebten Pensions-„Budgetpfads“ verpflichten will, lehnen wir dagegen ab. Die Verfassung und dazugehörige Verfassungsmehrheiten sind dafür da, Grundlagen unseres Staatswesens zu regeln und zu beschließen – die Staatsstruktur, den organisatorische Aufbau, Grundrechte, bundesstaatliche Kompetenzen, die Absicherung staatlicher Institutionen. Es war und ist eine (österreichische) – vor allem großkoalitionäre – Unart, die Verfassung mit Regelungen zu überladen, die dort tatsächlich nichts verloren haben – von Regelungen für Taxis bis hin zu Fiakern! Diese Unart wollen nun offensichtlich auch die NEOS weiterführen. Denn auch ein Pensionsautomatismus gehört selbstverständlich nicht in die Verfassung. Ein Pensionsautomatismus in Verfassungsrang würde – wie z.B. auch die Schuldenbremse in Deutschland – politische Spielräume gewählter parlamentarischer Mehrheiten massiv einschränken um nicht zu sagen fast schon verunmöglichen, wie die letzten Jahre Ampelkoalition und das Gezerre um das 500-Mrd-Sondervermögen drastisch vor Augen führte. Man muss aber gar nicht erst über die Grenze zum Nachbarn schauen: In Österreich verunmöglicht das in Verfassungsrang stehende Endbesteuerungsgesetz de facto die Wiedereinführung einer umfassenden Vermögens- und Erbschaftsbesteuerung auf Finanzvermögen. Die SPÖ bedauert heute wohl zutiefst, anno dazumal in grosskoalitionärer Eintracht die Verfassungsmehrheit für dieses Gesetz geliefert zu haben. Eine 2/3 Mehrheit für eine Änderung ist nämlich nicht in Sicht – für ein Gesetz, das ebenfalls nichts in der Verfassung verloren hat. Neue Mehrheiten müssen also in der Lage sein, Gesetze die einfachgesetzliche Materien betreffen auch mit einfachen Mehrheiten wieder ändern zu können. Pensionen sind einfachgesetzliche Materie. Auch Pensionsreformen und Änderungen im Pensionssystem. Und dabei soll es auch bleiben.
Fazit: Für politische Gigantomanie reichen die vorgelegten Maßnahmen im Pensionsbereich nicht. Die „größte Pensionsreform“ der letzten 20 Jahre kann so groß nicht sein, wenn wesentliche, einschneidende Entscheidungen auf nachfolgende Regierungen verlagert werden sollen. Einige Aspekte – wie die Teilpension – sind durchaus unterstützenswert. Die bisher vorgelegten Maßnahmen zur Erhöhung des effektiven Pensionsantrittsalters bleiben allerdings auf halbem Wege stehen – nicht zufällig genau dort, wo es um die Verpflichtung der Arbeitgeber gehen würde, für alternsgerechte Jobs und Beschäftigung älterer Arbeitnehmer:innen zu sorgen. Warum dem so ist? Die Antwort auf diese Frage, kann sich wohl jeder selbst geben.