#Blau-Schwarz: 6,4 Mrd. auf Kosten von Klima, Frauen und sozialen Zusammenhalt

wollen FPÖ und ÖVP also im ersten Jahr ihrer (wahrscheinlichen) Regierung einsparen. 6,4 sehr vage Milliarden. Denn viel haben sie bislang nicht darüber ausgelassen, wo denn das Geld herkommen soll. Außer eine sehr grobe Aufstellung – die allerdings auch mehr Fragen offen lässt, als sie Antworten gibt.

    • 3,18 Mrd. Euro sollen aus Kürzungen bei „Überförderungen“ kommen
    • 1,10 Mrd. als „Stabilitätsbeitrag“ der Ministerien
    • 0,92 Mrd. aus „Anpassungen im Steuersystem“ – laut Kickl v.a. aus dem Stopfen von Steuerschlupflöchern und der Abschaffung von Steuerprivilegien
    • 0,24 Mrd. durch mehr Effizienz bei Ausgaben
    • Und fast eine Milliarde – nämlich 950 Mio. – aus ebenfalls nicht näher definierten „weiteren“ Maßnahmen.

Was das denn alles bedeuten soll – darüber kann bislang nur spekuliert werden. Am Donnerstag soll es mehr dazu geben, zuvor soll der „Sanktus“ seitens der EU-Institutionen dazu abgeholt werden. Denn einer der wichtigsten Gründe für die rasche Einigung: FPÖ wie auch ÖVP wollten – entgegen den Empfehlungen der meisten Wirtschaftsexpert:innen – bloß keine Einleitung eines Defizitverfahrens. Damit wird die Konsolidierung allerdings auch „teurer“. Das dürfte es Konservativen und Rechtsextremen offensichtlich wert sein. Der ÖVP – die sich in EU-Zusammenhängen gerne als Scharfmacherin in Sachen Budget- und Schuldenregeln gab und gibt – wurde jedenfalls die „Blamage“ eines Defizitverfahrens erspart. Gleichzeitig kann man gemeinsam mit der FPÖ unter dem Titel der notwendigen Budgetkonsolidierung endlich dort nach Herzenslust kürzen, streichen und sparen, wo man bislang vom Regierungspartner erfolgreich gehindert wurde. Und das zeichnet sich bereits jetzt ab.

„Überförderungen“: Erstes Opfer sozialer Ausgleich

Dass es im Rahmen der Budgetkonsolidierung Kürzungen beim Klimabonus geben würde, war absehbar. Tatsächlich wird aktuell weit mehr an Klimabonus als sozialer Ausgleich für die CO2-Bepreisung rückerstattet als eingenommen. Diese „Überförderung“, diesen Überausgleich zurückzufahren, wäre also durchaus in Ordnung. Tatsächlich dürfte nun der Klimabonus allerdings vollkommen gestrichen werden – und damit kein sozialer Ausgleich für untere Einkommensgruppen für die höhere Belastung aufgrund der CO2-Bepreisung mehr stattfinden. Das käme allerdings einer Steuererhöhung gleich – die es ja angeblich laut FPÖ und ÖVP nicht geben soll. Das kommt teuer. Vor allem einkommensärmeren Haushalten. Zusätzlich droht ein Instrument des sozialen Ausgleichs, das – bei aller auch durchaus berechtigten Kritik an der aktuellen Ausgestaltung – unter Expert:innen als vorbildhaft gilt, einfach abgeschafft zu werden. Der völlig falsche Weg.

 „Klimaförderungen“: Unternehmen werden schon nervös

Bleiben noch Milliarden an notwendigen Einsparungen übrig. Wo werden die wohl u.a. noch herkommen? Naheliegend für eine Klimawandel-Leugner-Partei wie die FPÖ: Aus den verhassten „Klimaförderungen“ mit über 2,5 Mrd. Euro. Das dürfte inzwischen auch so manchem Wirtschaftskammerfunktionär gedämmert sein, der – so verhasst ihm auch die Grünen sein mögen – nun plötzlich nervös wird. Denn die sog. „Klimaförderungen“ sind tatsächlich Förderungen für Installationen von PV-Anlagen, für thermische Sanierung, für Heizkesseltausch, für die Transformation der Industrie in Richtung CO2-Neutralität. „Klimaförderungen“ sind Konjunkturpakete mit einer Mehrfachdividende: Sie sichern Jobs und Unternehmen, sie sorgen für mehr Unabhängigkeit von Energieimporten, sie reduzieren den CO2-Ausstoß, leisten so einen wertvollen Beitrag gegen die Klimakrise und sparen künftige Strafzahlungen in Milliardenhöhe, wenn vertraglich verpflichtende Klimaziele nicht erreicht werden. Wenig verwunderlich daher, dass in den letzten Tagen mehr und mehr Wirtschaftstreibende und –funktionäre wie auch Industrielle ausrücken, um Klimaförderungen auch für die nächsten Jahre zu halten. Stehen doch Unternehmen und tausende Arbeitsplätze auf dem Spiel. Man darf also gespannt sein, wie hoch das Einsparungsvolumen hier tatsächlich ausfallen wird. Wird hier drastisch gekürzt, wäre das jedenfalls abgesehen von negativen klimapolitischen Auswirkungen – die der FPÖ egal sein können – ein Beitrag zur Verschärfung der wirtschaftlichen und arbeitsmarktpolitischen Situation. Was weder ÖVP noch FPÖ wollen können. Obwohl – was weiß man schon … schließlich hat auch schon die ÖVP als angebliche „Wirtschaftspartei“ anno dazumal den „Ömpel“-Verhandlungspartnern SPÖ und NEOS Kürzungen im Bereich der „Klimaförderungen“ vorgeschlagen.

Was noch droht: Wo die ÖVP schon immer bei Arbeitslosen kürzen wollte …

Dass es der Bildungskarenz an den Kragen geht, war so absehbar wie die Sache mit dem Klimabonus. Auch hier wurden ganz offen Kürzungen angekündigt. Die Einsparungshoffnungen, die mit der facto-Abschaffung der Bildungskarenz verbunden werden, sind allerdings trügerisch. Weniger Bildungskarenz wird nämlich mit ziemlich hoher Wahrscheinlichkeit zu mehr Arbeitslosigkeit einerseits und mehr „Verschwinden“ von Frauen vom Arbeitsmarkt führen. Wenn daher einerseits künftig statt „Weiterbildungsgeld“ Arbeitslosengeld in gleicher Höhe ausbezahlt werden muss, verringert das schon Sparpotentiale. Wenn andererseits junge Mütter statt sich in Bildungskarenz weiterzubilden, wegen fehlender Kinderbetreuung überhaupt aus dem Arbeitsmarkt ausscheiden, mag das Parteien, die ohnehin eine „Zurück-an-den-Herd“-Politik verfolgen zwar gelegen kommen, ist gesellschafts-, frauen- wie auch wirtschaftspolitisch allerdings irgendwo zwischen mittelalterlich, reaktionär und völlig widersinnig angesiedelt.

Statt im Rahmen einer Reform der Bildungskarenz endlich das zu tun, was wirklich notwendig ist – nämlich hohe Qualitätskriterien sicherzustellen, Bildungsinstitute und –kurse zu zertifizieren und so „schwarze Schafe“ auszuscheiden, eine verpflichtende Bildungsberatung und -begleitung umzusetzen und so den Bildungs-, Qualifizierungs- und Umorientierungscharakter zu stärken, wird sie nun einfach abgeschafft. Die einzige arbeitsmarktpolitische Maßnahme, die eine eigenständig, selbstbestimmt gewählte Qualifizierung und Weiterbildung ermöglicht. Eine Maßnahme, die Vorbild für die ehemalige Ampel-Regierung in Deutschland war, um die uns deutsche Gewerkschafter:innen beneidet haben. Die wird jetzt zu Grabe getragen.

Und dabei wird es wohl nicht bleiben. Denn Einsparungspotential hat die ÖVP bei Arbeitslosen immer wieder verortet. Wir erinnern uns an den neuen ÖVP-Obmann Christian Stocker, der bei der Arbeitslosenversicherung insgesamt 1 Mrd. Euro einsparen wollte – neben der bereits erwähnten Bildungskarenz auch bei einer degressiven – also „sinkenden“ – Ausgestaltung des Arbeitslosengelds, oder der Einschränkung von Zuverdienstmöglichkeiten. Im Regierungsprogramm der Regierung Kurz-Strache waren derartige „Reform“-Schritte zwischen ÖVP und FPÖ bereits abgesegnet. Von uns Grünen erfolgreich verhindert, werden die ÖVP-Pläne wohl nun wieder auf die Tagesordnung gesetzt.

… und die Draufgabe der FPÖ

Hinzu kommt die rassistische Draufgabe der FPÖ, die von einer auf das Notdürftigste zurechtgestutzten Gesundheitsversicherung für Nicht-EU-Ausländer:innen bis hin zu einer Zwangsabschiebung arbeitssuchender Menschen aus dem Ausland reicht. Nicht zu vergessen die Sozialhilfe, die einmal mehr als „letztes soziales Netz“ drastisch zusammengekürzt werden soll – immer mit Blick auf Asylberechtigte, getroffen werden alle. Es sind wohl auch viele der von der FPÖ geplanten – und von breiten Teilen der ÖVP wohl gerne mitgetragenen – Maßnahmen verfassungs- oder EU-rechtswidrig. Etliche werden wohl bis zur Aufhebung durch VfGH bzw. Europäischen Gerichtshof zuallererst einmal durchgezogen – wie bereits in der Vergangenheit. Und wenn sie zuletzt auch zurückgenommen werden – für eine weitere Vergiftung des gesellschaftlichen Klimas und neue Grenzüberschreitungen haben sie allemal auf das Konto der FPÖ eingezahlt.

Da kommt noch mehr

Bei all dem wird es nicht bleiben – und wir dürfen „gespannt“ sein, was unter dem Titel „weitere Maßnahmen“ oder „Stabilitätsbeitrag der Bundesministerien“ noch folgen wird: Das Aus für den Wohnschirm? Nach Rekordbudgets der letzten Jahre massive Kürzungen bei der aktiven Arbeitsmarktpolitik? Kürzungen bei der internationalen Zusammenarbeit, bei der Flüchtlingsbetreuung, bei Integration?

In ein paar Tagen wissen wir mehr. Dass das, was wir erfahren werden, erfreulich sein wird, darf getrost ausgeschlossen werden. Es wird wohl ein Budget von in Zahlen gegossener Hetze, Spaltung und sozialer Ungleichheit sein. Ein Budget das Chancen und Zukunft raubt. Für jede Menge Wut und Ärger wird gesorgt sein. Widerstand wird nicht auf sich warten lassen. Gerade auch von uns.