#Teilzeit: Wie besser absichern?

Teilzeit ist Realität. Teilzeit ist Normalität. Für Millionen von Arbeitnehmer:innen – vor allem Frauen. Vollzeit ist nicht „das Normale“. Vollzeit war nie Normalität. Zumindest nicht für Frauen. Nicht in einer konservativ geprägten Gesellschaft mit traditioneller Arbeitsteilung – wo Frauen nach wie vor zwei Drittel der unbezahlten Hausarbeit und Männer zwei Drittel der bezahlten Erwerbsarbeit leisten.

Inzwischen befindet sich längst auch das traditionelle, männlich geprägte ganzjährige Vollzeitarbeitsverhältnis auf dem Rückzug. Ist auch für immer mehr Männer immer weniger „normal“. Der Versuch der „Normierung“ der Arbeitsverhältnisse entlang einer  männlich geprägten Normalität der 60er und 70er Jahre – wie in der aktuell geführten Teilzeitdebatte –  spielt sich schlichtweg nicht mehr. It’s over. Es gibt kein Zurück. Das gilt es zuallererst einmal – endlich – zu akzeptieren.

    • Teilzeit wird gearbeitet, weil oft genug nichts anderes übrig bleibt – weil Kinderbetreuungs- und Pflegeplätze fehlen. Weil Unternehmen oft genug nur Teilzeit anbieten. Weil genug Menschen nur Teilzeit arbeiten können. Eine „freie“ Wahlmöglichkeit zwischen Voll- und Teilzeit gibt es für diese Betroffenen nicht. Vor allem nicht für betroffene Frauen. Punkt.
    • Teilzeit wird bisweilen auch freiwillig gewählt. Weil mensch – sehr häufig Männer – neben der Erwerbsarbeit eine Ausbildung macht. Weil mensch einfach nicht Vollzeit arbeiten will. Weil mensch mit Teilzeit ausreichend verdient und in der Abwägung mehr Einkommen oder mehr Freizeit mehr Freizeit wählt. Weil mensch sichs leisten kann. Teilzeit wird gewählt, weil es gerade zur aktuellen Lebensphase passt. Weil Arbeit für viele längst nicht mehr alles ist. Und ja, das ist vollkommen okay.
    • Aus Teilzeit folgt regelmäßig ein geringeres Einkommen als aus Vollzeit. Mit langen Phasen geringer Teilzeit geht auch eine schlechtere soziale Absicherung bei Arbeitslosigkeit oder in der Pension einher. Wer Teilzeit arbeitet, hat ebenfalls geringere Aufstiegschancen, ist seltener in Führungspositionen zu finden, kommt weniger in den Genuss betrieblicher Weiterbildungsmaßnahmen.

Ob Teilzeit „gut“ oder „schlecht“ ist hängt also einerseits vom Einkommen, vom Ausmaß der Teilzeit, von der Wahlmöglichkeit, von der „Qualität“ von Teilzeit – etwa dem Zugang zu betrieblichen Qualifizierungsleistungen, von der Möglichkeit Stunden aufzustocken oder in Vollzeit zu wechseln.

Fakt ist:

    • In Österreich ist das Ausmaß der Teilzeit – v.a. bei Frauen – im europäischen Vergleich sehr hoch. 49,6 % der unselbständig beschäftigten Frauen arbeiten Teilzeit.
    • Gleichzeitig ist das Stundenausmaß mit 21,5 Wochenstunden unter dem EU-Schnitt (22,3) und weit unter Schweden (26,5).
    • Ein Gutteil der Einkommensdifferenz zwischen Männern und Frauen ist in (schlecht entlohnter) Teilzeit begründet. Ebenso die niedrigen Alterspensionen.
    • Menschen in Teilzeit sind bei Arbeitslosigkeit schlechter abgesichert – erst recht Menschen in geringfügiger Beschäftigung, einer Sonderform der Teilzeit. Einer Teilzeit, ganz ohne Sozialversicherung.

Es ist daher so wichtig wie legitim darüber nachzudenken, wie Arbeitnehmer:innen in Teilzeit finanziell und sozial besser gestellt werden können. Ein Hebel für eine bessere Absicherung liegt klarerweise bei einer Erhöhung des Stundenausmaßes und damit einhergehend des Einkommens. Die Frage ist nur, wie denn dieses Ziel am besten erreicht werden kann. Welche Rahmenbedingungen es braucht, damit Betroffene ihr Stundenausmaß erhöhen können, wenn sie es erhöhen wollen. An welchen Schrauben kann man sinnvollerweise drehen, um dieses Ziel zu erreichen? Die Kürzung von Sozialleistungen ist jedenfalls keine geeignete Maßnahme  um Teilzeitbeschäftigte aus Einkommensarmut zu führen. Die Halbierung der Familienbeihilfe schafft keinen einzigen Kinderbetreuungsplatz dafür allerdings inakzeptable soziale Härten. Wo also ansetzen?

    • Zuallererst gilt es, Rahmenbedingungen zu setzen, die vielen – v.a. Frauen – überhaupt erst eine höhere Teilzeit oder gar Vollzeit ermöglichen. Also der Ausbau von professionellen Kinderbetreuungs- und Pflegeangeboten. Dazu tut diese Regierung bereits einiges – das geht allerdings nicht von heute auf morgen, alleine schon, weil es an Elementarpädagog:innen und Pflegekräften fehlt.
    • Wollen wir das Stundenausmaß in Teilzeit erhöhen und geringe Teilzeit unattraktiv(er) machen, bieten sich vor allem Lösungen direkt in den Betrieben an. Gerne wird niedrige Teilzeit von Betrieben angeboten, weil der flexible Einsatz von Mehrarbeit – also längeres Arbeiten – den Unternehmen billiger kommt, als ein höheres Stundenausmaß. Würde allerdings der Durchrechnungszeitraum bei Mehrarbeit von drei auf ein Monat verkürzt und Zuschläge zu Mehrarbeit erhöht, würde die „flexible“ Inanspruchnahme von Mehrarbeit empfindlich teurer und nur mehr in Ausnahmefällen genutzt. Für Unternehmen ist es dann gleich attraktiver, das Stundenausmaß ausgeschriebener Teilzeitjobs zu erhöhen. Das Arbeitsvolumen würde so insgesamt steigen, das Ziel „höherer“ Teilzeit erreicht.
    • Frankreich und Dänemark gehen noch weiter. Sie setzen auf „Mindestarbeitszeiten“ bei Teilzeit. In Frankreich liegt die gesetzliche Mindestarbeitszeit etwa bei 24 Wochenstunden. Kein reguläres Teilzeitverhältnis darf unter diese Grenze fallen (Ausnahmen gibt es für Jugendliche und wenn Kollektivverträge eine Unterschreitung der Mindestarbeitszeit zulassen). In Dänemark sind Mindestarbeitszeiten teilweise in Kollektivverträgen geregelt. Höhere Teilzeit bringt höheres Einkommen, bessere soziale Absicherung und verringert die Lücke bei Einkommen und Arbeitszeit zwischen Männern und Frauen. Wenn gleichzeitig noch Vollzeit verkürzt ist – wie ebenfalls in Dänemark (kollektivvertraglich 37 Wochenstunden)  und Frankreich (gesetzlich 35 Wochenstunden) – kann das zusätzlich eine gerechteren Verteilung von bezahlter und unbezahlter Arbeit zwischen Männern und Frauen fördern und dabei helfen, tradierte, längst überholte Geschlechterrollen und -verhältnisse aufzubrechen.
    • Es kann auch bei Steuern und Abgaben angesetzt werden: Würde ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis – eine Sonderform der Teilzeit – voll sozialversicherungspflichtig, am besten noch mit einer Mindestbeitragsgrundlage – wäre Geringfügigkeit nicht nur sozialversicherungsrechtlich endlich abgesichert, sondern auch für Unternehmen unattraktiver weil teurer. Das Modell wäre auch auf andere Teilzeitformen ausweitbar, wenn z.B. die Mindestbeitragsgrundlage für SV-Beiträge unabhängig vom Ausmaß der tatsächlichen Teilzeit-Beschäftigung zumindest bei 24 Wochenstunden liegen würde. Ein Rückgang der Geringfügigkeit würde automatisch das durchschnittliche Stundenausmaß bei Teilzeit erhöhen – weil sie gegenüber allen anderen Formen der Teilzeit weniger in Anspruch genommen werden würde.
    • Und eine weitere Möglichkeit um höhere Teilzeit attraktiver zu machen wären z.B. geförderte, lebensphasenorientierte Teilzeitmodelle wie eine partnerschaftliche Elternteilzeit. Die Idee: Beide Elternteile nehmen für Kinderbetreuung zeitlich befristet Eltern-Teilzeit in Anspruch, die allerdings innerhalb eines bestimmten Stundenkorridors liegen muss – B. zwischen 26 und 32 Wochenstunden. Für Männer wäre das eine deutliche Arbeitszeitverkürzung, für Frauen mit Kindern eine Arbeitszeiterhöhung und damit ein Weg aus der „Teilzeitfalle“. Beide Elternteile bekommen für die Dauer der Elternteilzeit eine Steuergutschrift – ihr Einkommen erhöht sich also. Mit diesem Modell würde nicht nur Kindererziehung partnerschaftlich(er) und geschlechtergerechter aufgeteilt, sondern auch ein wirklicher Anreiz für höhere Teilzeit gesetzt.

Alleine diese Beispiele zeigen: Es gäbe genug Möglichkeiten, tatsächlich wirksame Anreize und Maßnahmen abseits von (kontraproduktiven) Kürzungen, Strafen, Sanktionen zu setzen, die zu höherer Teilzeit und damit zu höherem Einkommen, höheren Steuer- und Beitragseinnahmen bei gleichzeitig besserer sozialer Absicherung Betroffener führen könnte. Gleichzeitig würde höhere Teilzeit – und ein damit einhergehend höheres Arbeitsvolumen den Arbeitskräftemangel mindern und käme so auch dem Standort und der wirtschaftlichen Entwicklung zugute.

Viele der oben genannten Maßnahmen sind sofort umsetzbar und würden rasch wirken. Höhere Teilzeit würde attraktiver werden – ganz ohne Kürzung-, Streichungs-, Bestrafungsfantasien.

Der „Haken“ dabei: Auf Arbeitgeberseite, direkt bei den Unternehmen selbst – dort wo tatsächlich eine Vielzahl an Problemen mit (schlecht entlohnter) Teilzeit liegen –  würde und müsste sich Einiges ändern. Sie würden in die Pflicht genommen und in ihrer „Flexibilität“ hinsichtlich des Einsatzes von Teilzeit deutlich eingeschränkt.

Vor allem aber könnten sich Unternehmen, Unternehmer:innen und ihre politischen Adlat:innen nicht mehr auf die Arbeitnehmer:innen ausreden, geht es um deren vermeintliche „Unwilligkeit“, höhere Teil- oder Vollzeit statt niedrige Teilzeit zu arbeiten – ohne selbst Aktivitäten, Angebote, Schritt in Richtung besserer Arbeitsbedingungen etc. setzen zu müssen.

Und sie müssten endlich akzeptieren, dass sich die Zeiten geändert haben. Und auch die Arbeitswelt, die Bedürfnisse der Arbeitnehmer:innen und die Prioritäten in unserer Gesellschaft. Wer nicht bereit ist, das zu akzeptieren und endlich im Heute anzukommen, wird scheitern. Wirtschaftlich wie politisch. Und das können wir uns eigentlich nicht leisten.