Betriebsrät*innen sind Rechten aller Coleur ein rechter Graus. Der ewigblaue FPÖ-Abgeordnete Zanger sprach anno dazumal von Betriebsrät*innen als „Beidln“. Der türkise Noch-ÖBAG-Chef Thomas Schmid forderte in einem Chat munter: „Und Betriebsrat. Weg damit.“ Einmal mehr hat ein Türkiser sein gestörtes Verhältnis zu rechtsstaatlichen bzw. demokratischen Institutionen offen gelegt. Diesmal zur demokratisch gewählten Interessensvertretung der Beschäftigten eines Betriebes – zum Betriebsrat.
Diese offen zur Schau gebrachte Verachtung für den Betriebsrat wäre ja an sich nicht unbedingt was ÖVP-typisches. Schließlich war der ÖVP-Klubobmann selbst Betriebsratsvorsitzende und ist die ÖVP-nahe Fraktion Christlicher Gewerkschafter – die auf betrieblicher Ebenen oft mit dem ÖVP-Arbeitnehmer*innenbund gemeinsam zu Betriebsrats- und Personalvertretungswahlen kandidiert – zweitstärkste Fraktion im ÖGB, stärkste Gruppierung in der GöD und mit tausenden Betriebsrät*innen, Personalvertreter*innen und anderen Belegschaftsvertreter*innen österreichweit stark in Betrieben und Gewerkschaften verankert. Dass Wirtschaftsbündler*innen immer wieder einmal gegen Betriebsräte und die Interessensvertretungen „ausschlagen“ liegt in der Natur von Interessensvertretungen. Dass die reale Macht der Arbeitnehmer*innenorganisationen in der ÖVP sehr begrenzt ist, in der Natur der ÖVP als klassische Unternehmer*innen, Selbständigen und Landwirt*innenpartei und der Übermacht der ÖVP-Fraktionen in den Arbeitgeber-Sozialpartnerorganisationen.
Mit der Umfärbung von schwarz auf türkis hat sich allerdings in der ÖVP der Zugang zu Sozialpartnerschaft – betrieblicher wie überbetrieblicher grundlegend geändert und war ganz auf einer Linie mit der traditionell sozialpartnerfeindlichen FPÖ. Wir erinnern uns: Die AK-Umlage sollte drastisch gekürzt werden, was ein Ende der AK als (politische) Interessensvertretung bedeutet hätte. Arbeiter- und Angestelltenbetriebsräte sollten zusammengelegt – sprich Betriebsratskörperschaften verkleinert werden. Zugleich sollte die so noch einmal geschwächte „betriebliche Ebene“ gegenüber der „kollektivvertraglichen“ – wo die Arbeitnehmer*innen natürlich deutlich mehr Verhandlungsmacht haben – „gestärkt“ werden. Überhaupt wurde auf die Einbindung der Sozialpartner – zumindest die Arbeitnehmer*innenseite – in politische Prozesse nur wenig wert gelegt. Vielmehr zielte die türkis-blaue Koalition auf eine Schwächung von ÖGB und AK ab – wie sich etwa beim 12-Stunden-Tag (wo die betriebliche Verhandlungs- und Vereinbarungsebene schlicht ausgehebelt wurde) oder der Kassenreform zeigte. Ibiza beendete die rechte Koalition bevor weitere Schritte umgesetzt werden konnten.
Schmid ist also beileibe kein „Ausrutscher“. Schmid schwimmt nur mitten im Mainstream. Im Gegensatz zur ÖVP war uns in der Regierung eine stärkere Einbindung von Gewerkschaften und AK, eine Stärkung der Sozialpartnerschaft insgesamt ein Anliegen – weil für uns eine moderne, soziale Demokratie ohne institutionalisierten Interessensausgleich und starke Interessensvertretungen undenkbar ist. Demokratie endet nicht vor den Betriebstoren. Diejenigen, die einen wesentlichen Anteil am Wohlstand in unserem Land haben – weil sie ihn Tag für Tag erwirtschaften – müssen selbstverständlich auch das Recht haben, über die Verteilung dieses Wohlstandes, aber auch wie er erzeugt wird und unter welchen (Arbeits-)bedingungen, mitzustimmen.
Dieser „neue“ Zugang der türkis-grünen Regierung im Gegensatz zur türkis-blauen Regierung wurde durchaus von AK und ÖGB anerkannt und lobend erwähnt. Und hat sich nicht zuletzt in der Corona-Krise bewährt. Angesichts dieses erfolgreichen „Comebacks“ der Sozialpartner und der grünen Regierungsbeteiligung sind aktuell die Angriffe auf AK, ÖGB, Betriebsräte und Sozialpartnerschaft insgesamt eher eingestellt.
Die nun im Zusammenhang mit dem Ibiza-UsA veröffentlichen Passagen aus den Chat-Protokollen Schmids rufen in Erinnerung zurück, wie schnell es mit dieser Zurückhaltung bei den Türkisen auch wieder vorbei sein kann. Aktuell erleben wir, wie Justiz und parlamentarische Kontrollorgane einem ständigen türkisen Dauerbeschuss ausgesetzt sind. Rechtsstaatliche und demokratische Institutionen, die Respekt statt Missachtung verdienen. Morgen können es wieder die demokratischen Institutionen der Arbeitnehmer*innen sein, die von konservativer Seite in Frage gestellt und verächtlich gemacht werden.
Dass wir Grüne es uns mit dieser Koalition nicht leicht machen würden, war allen – Kritiker*innen wie Befürworter*innen bewusst. Manche verorteten halt mehr Chancen, andere mehr Risiken. Mit Dauer der Regierungstätigkeit, den zunehmenden Problemen der ÖVP mit der Justiz und Rechtsstaatlichkeit stellt sich für mehr und mehr von uns zunehmend die Frage, wie lange das noch Sinn macht.
Solange diese Koalition allerdings hält, werden wir in dieser Koalition Rechtsstaatlichkeit, Demokratie und Mitbestimmung verteidigen. Gerade auch die betriebliche Demokratie und Mitbestimmung, gesetzlich garantiert durch das Arbeitsverfassungsgesetz und repräsentiert durch Betriebsrät*innen. Und die Institutionen der Sozialpartnerschaft auf allen Ebenen – betrieblich und überbetrieblich.
Darum: Weg mit Betriebsrät*innen? Fu** that anti-democratic shit.
PS: Übrigens – Betriebsräte können ab fünf Beschäftigten gegründet werden. Die Gewerkschaften helfen gerne dabei mit, „Pöbel“ zu organisieren und eine wirkungsvolle, betriebliche Interessensvertretung auf die Beine zu stellen. Und wer sich als Betriebsrat/rätin im ÖGB auch politisch organisieren will um in den Gewerkschaften auch eine Stimme zu haben – dem empfehle ich eine Mitgliedschaft in der AUGE- Alternative, Grüne und Unabhängige Gewerkschafter*innen.