#Anti-Teuerungs-Maßnahmen: Die Tücken der Umsetzung …

Heute hat das WIFO eine Kurzstudie über die zu erwartende Wirkung der Maßnahmenpakete gegen Teuerung auf die privaten Haushalte veröffentlicht. Die Autor*innen haben dabei die Verteilungswirkung der Maßnahmen hinsichtlich ihrer sozialen Treffsicherheit analysiert, Problemlagen verortet und Empfehlungen ausgesprochen. Die lassen eine*n allerdings – leider – weitgehend ratlos zurück. Weil sich deren Umsetzung als ziemlich schwierig bis kaum machbar darstellen.

In aller gebotenen Kürze zu den Ergebnissen:

    • Dem Teuerungsausgleich von 300 Euro für von steigenden Preisen besonders betroffenen Gruppen wird insgesamt eine ganz gute soziale Treffsicherheit zugestanden. Ein Problem dabei: Leistungen wie die Mindestsicherung oder die Ausgleichszulage sind „haushaltsbezogen“ und bedarfsgeprüft. Eine Erhöhung derselben wirkt für den Haushalt, ohne ausreichend Rücksicht auf die Zahl der Haushaltsmitglieder zu nehmen. D.h.: Mit steigender Zahl der Haushaltsmitglieder nimmt die Anti-Teuerungswirkung ab. Das ist und war soweit bekannt und ist tatsächlich schwer lösbar – weil eben die „Bedarfsgemeinschaft“ Sozialhilfe bzw. Mindestsicherung bezieht, eben der Haushalt und nicht die einzelnen Bewohner*innen eines Haushalts .
    • Im Gegensatz dazu erhöht der Teuerungsausgleich bei Arbeitslosengeld oder Notstandshilfe als nicht-haushaltsbezogen und bedarfsgeprüfte Versicherungsleistungen das individuelle Einkommen – sind also zwei Personen in einem Haushalt gleichzeitig arbeitslos erhalten sie jeweils 300 Euro, der Haushalt also zusammen 600 Euro Teuerungsausgleich.
    • Eine Problemlage die von der WIFO-Analyse aufgezeigt wird: Leistungen wie die Sozialhilfe oder Mindestsicherung müssen beantragt werden. Es gibt allerdings gar nicht wenige einkommensarme Haushalte, die entweder keine Sozialhilfe beantragen – sei es aus Scham oder aufgrund gesellschaftlicher oder administrativer Hürden – oder nicht antragsberechtigt sind. Ihnen nutzt der Teuerungsausgleich – als Leistung, die an einen Sozial-Transfer geknüpft ist gar nicht. Wie dieses bekannte Problem gelöst werden könnte, bleibt uns die Analyse allerdings schuldig (was auch okay ist).
    • Die Senkung der Energieabgaben (Erdgas-, Elektrizitäts-, Ökostrom-Abgaben) findet einkommensunabhängig statt, die Verteilungswirkung ist in der Studie nicht eindeutig. Weit eindeutiger tatsächlich die verteilungspolitische Entlastung über die erhöhte Pendlerpauschale, die v.a. oberen Einkommensgruppen zu Gute kommt, während die Preissenkungen und Angebotserweiterungen im öffentlichen Verkehr vor allem einkommensärmeren Gruppen nutzen – und zusätzlich Anreize schaffen, auf Öffis umzusteigen.
    • Was den Energiekostenausgleich von 150 für jeden Haushalt betrifft, bemerkt das WIFO auch hier, dass mit Größe des Haushalts die Wirkung gegen steigende Energiekosten abgeschwächt wird – gleichzeitig allerdings positiv hervorgehoben wird, dass den Energiekosten auch jene Haushalte bekommen, die zwar einkommensarm sind, allerdings nicht vom Teuerungsausgleich erfasst wurden.
    • Das WIFO empfiehlt daher insgesamt eine Nachschärfung der Treffsicherheit, bleibt in seinen Empfehlungen allerdings sehr vage – und das ist bedauerlich. Die Umsetzung der Empfehlungen liegt nämlich entweder überwiegend auf Länderebene – wie die Erhöhung von Heizkosten- oder Mietzuschüssen, was teilweise auch schon umgesetzt worden sind. Oder sie bleiben sehr unkonkret – und das aus gutem Grund, weil sie nämlich tatsächlich kaum verwirklichbar sind: Wenn nämlich seitens der WIFO-Expert*innen zielgerichtete soziale Transfers gefordert werden, die an einkommensschwache Haushalte zurückerstattet werden, die zumindest die erwartbare Inflation abdecken sollen, dann ist diese Forderung – bei aller grundsätzlichen Sympathie – aktuell nicht umsetzbar. Weil es nämlich weder entsprechende Informationen über Haushaltseinkommen, Haushaltsgrößen, gewichtete Haushaltseinkommen etc. gibt. Und auch keine „Kontonummer“ des Haushalts wohin die Transfers überwiesen werden könnten.

Weil in Österreich eine Individualbesteuerung und keine Haushaltsbesteuerung vorliegt, Versicherungsleistungen bzw. Sozialleistungen individuell ausbezahlt werden und sich nicht am Haushaltseinkommen orientieren und sich bei Bedarfsleistungen – wie Sozialhilfe und Ausgleichszulage – genau oben erwähnte Problemlagen, nämlich eine deutlich geringere Inanspruchnahme als möglich – ergeben. Tatsächlich haben – zumindest wir im Grünen Klub – uns lange die Köpfe darüber zerbrochen, wie haushaltsbezogenen Unterstützungen gegen die Teuerung den ganz real aussehen und abgewickelt werden könnten. Unterstützungen, die nicht gesondert beantragt, sondern automatisch ausbezahlt werden können.

Wir fanden ebenso wenig gangbare Lösungen, wie aktuell scheinbar auch die Expert*innen des WIFO. Das ist kein Vorwurf an die Autor*innen, sondern zeigt nur, dass sich die Problemlage als deutlich komplizierter darstellt, als vielfach angenommen.

Bedeutet nichts anderes, als weiter nach möglichst sinnvollen, verteilungsgerechten Lösungen gegen Teuerung und steigende Preise zu suchen die an den vom WIFO empfohlenen Parametern ansetzen. Schwer genug. Da stehen wir alle – Wirtschaftsexpert*innen wie Politiker*innen – vor einer ordentlichen Denkaufgabe.

WIFO: Maßnahmenpakete gegen Teurung. Potentielle Wirkung auf die privaten Haushalte