#Sozialleistungen halbieren? Nicht verhandelbar

Die Halbierung von Sozialleistungen ist für uns Grüne nicht verhandelbar. Nicht für Teilzeitbeschäftigte. Nicht für Frauen. Nicht für Migrant:innen. Ob jemand Sozialleistungen erhält oder nicht, hat sich weder am Umfang der Arbeitsstunden noch an der Herkunft zu orientieren, sondern am Bedarf, der Lebenslage bzw. der finanziellen Situation des/der Betroffenen.

Soweit, so klar, so eigentlich selbstverständlich. Jeder andere Zugang ist absurd und löst kein Problem, sondern schafft nur zusätzliche Probleme. Quasi zum „ned amoi Ignorieren“.

Wenn sich aber der ÖVP-Chef zur Idee der Halbierung von Sozialleistungen für Migrant:innen hinreißen lässt, so geht sich „ned amoi ignorieren“ leider wie schon bei der Teilzeit-Debatte nicht aus, weil der ÖVP-Chef eben nicht nur ÖVP-Chef ist, sondern auch Bundeskanzler von Österreich.

Immerhin geht dieser Bundeskanzler – realistischerweise – davon aus, dass derartige Kürzungsmaßnahmen mit den Grünen nicht möglich sind – und peilt mal 2030 als möglichen Zeitpunkt für sein Verarmungsprogramm an. Es bleibt also Zeit, um Derartiges zu verhindern. Und er muss ja – ausgenommen ist die FPÖ, die bei den ÖVP-Vorschlägen sicher vorne mit dabei wäre – erst einmal jemanden finden, der da mitmacht.

Abgesehen vom Grundsätzlichen ergibt sich wieder einmal die Frage, was der ÖVP-Chef denn überhaupt mit den „Sozialleistungen“, die für Migrant:innen fünf Jahre halbiert werden sollen, gemeint haben könnte. Uns fällt nämlich nicht wirklich was ein.

Das ist allerdings wenig überraschend, (Rechts-)Populismus hat schließlich selten inhaltliche Substanz. Also:

    • Arbeitslosengeld und Notstandshilfe können nicht gemeint sein, handelt es sich doch um Versicherungsleistungen, die einen entsprechenden Anspruch erzeugen. Wer Beiträge bezahlt hat, erhält eben eine bestimmte Leistung nach für alle einheitlichen Regeln. Eine Halbierung von ALG und NH alleine aufgrund der Staatsbürger:innenschaft widerspricht dem Versicherungsprinzip und hätte auch verheerende arbeitsmarktpolitische Auswirkungen. Wird ALG und NH halbiert, müssten wohl – entsprechend der Versicherungslogik – auch die Beiträge halbiert werden. Und das würde migrantische Arbeitskräfte gegenüber Österreicher:innen billiger machen sowie einen Verdrängungseffekt zur Folge haben. Denn welcher Arbeitgeber zahlt mehr, wenn er die Arbeitskraft auch billiger haben kann? Keine – nennen wir es mal vorsichtig – besonders intelligente Strategie.
    • Die Krankenversicherung kann es wohl auch nicht sein. „Halbe“ Gesundheitsleistungen, „halbe“ Krankenversorgung wären geradezu gemeingefährlich. Es gibt kein „halb“ gebrochenes Bein. Erkrankungen, Pandemien etc. können auch nicht „halb“ behandelt bzw. bekämpft werden. Also auch das scheidet wohl aus.
    • Bei der Sozialhilfe bzw. Mindestsicherung ist es ohnehin schon so, dass für Drittstaatsangehörige eine fünfjährige Wartefrist besteht (EU-Bürger:innen ebenfalls fünf Jahre Wartefrist ODER Arbeitnehmer:in in Österreich). Eine Ausnahme besteht für Asylberechtigte, die wie österreichische Staatsbürger:innen zu behandeln sind. Eine Kürzung (in Form einer Koppelung an Sprachkenntnisse) ist schon einmal am VfGH gescheitert und würde es wohl wieder. So sicher wie die Lernfähigkeit der ÖVP enden wollend ist, so wahrscheinlich ist die erneute Absage der Verfassungshüter:innen am abermaligen türkisen Plan, Asylberechtigten die Sozialhilfe zu kürzen.
    • Und auch was die Familienbeihilfe betrifft – die hätte ebenfalls Potential für die türkisen Kürzungsfantasien – wäre eine Halbierung wohl nicht von langer Dauer. Der Versuch, die FB für Kinder im Ausland zu „indexieren“ – also für Kinder von migrantischen Beschäftigten zu kürzen – wurde schon einmal vom EuGH aufgehoben. Gleiche Beiträge müssen gleiche Leistungen hervorbringen. Das wäre wohl jetzt für arbeitende Migrant:innen, die Beiträge zum FLAF leisten, nicht anders. Für Drittstaatsangehörige gilt: Familienbeihilfe erhält, wer sich rechtmäßig und ständig im Bundesgebiet aufhält (Aufenthaltstitel). Egal ob seit einem, seit zwei oder fünf Jahren. Wer FB erhält, ist gesetzlich klar geregelt. Anerkannte Flüchtlinge zu benachteiligen verstößt gegen EU-Recht, gegen die EMRK etc. Geht also auch nicht.
    • Zuletzt: Einerseits ein attraktiver Arbeitsmarkt für migrantische Arbeitnehmer:innen in Mangelberufen – von Pflege bis Metallindustrie – sein und gleichzeitig Sozial- und Familienleistungen in den ersten Jahren des Aufenthalts kürzen zu wollen – das wird sich irgendwie nicht ausgehen. Betroffene werden wohl „dankend“ ablehnen und in Länder gehen, die attraktiver und weniger ausländer:innenfeindlich sind, also eine ausgeprägtere Willkommenskultur haben.

Aus reinem parteipolitischen und wahltaktischen Kalkül die ausländerfeindliche Klaviatur zu bedienen, ist nicht nur sozialpolitisch verantwortungslos und rechtsstaatlich bedenklich, sondern – einmal mehr – auch ökonomisch dumm.

Selbst Wirtschaftspartei geht anders. Mit ständiger Rechts-Außen-Blinkerei ist nicht nur kein Sozialstaat zu machen. Sondern auch kein attraktiver Standort.

Link: Minister Rauch lehnt Kürzung von Sozialleistungen für Zugewanderte ab