Hohe Wellen hat der kürzlich von Arbeitsminister Kocher getätigte Erlass ans AMS geschlagen. Mit diesem Erlass soll der Druck auf Arbeitslosengeld- oder Notstandshilfebezieher:innen, die nebenbei einer geringfügigen Beschäftigung nachgehen erhöht werden, möglichst rasch eine Vollzeit- oder (höhere)Teilzeitstelle anzunehmen. Wer „mangelnde Eigeninitiative“ beim Versuch, einen Vollzeitjob zu bekommen zeigt (so muss etwa – laut Erlass – nachgewiesen werden, dass man beim „geringfügigen“ Arbeitgeber um einen Vollzeitjob gebeten hat), dem droht eine Sperre des Arbeitslosengelds oder der Notstandshilfe.
Was ÖVP und Arbeitsminister im Rahmen der Verhandlungen um die gescheiterte Arbeitsmarktreform nicht gelungen ist – nämlich die Möglichkeit, zu Arbeitslosengeld oder Notstandshilfe dazuzuverdienen drastisch einzuschränken um nicht zu sagen, weitgehend abzuschaffen – wird nun ansatzweise im Rahmen des „Erlasses“ versucht: Man will Arbeitslosen die dazu verdienen zumindest den Zuverdienst etwas schwerer machen.
Was ist ein Erlass? Was bedeutet dieser Erlass?
Ein Erlass ist so etwas wie eine „Anweisung“, eine Verwaltungsvorschrift einer übergeordneten Behörde – in diesem Fall des Ministeriums – an eine nachgeordnete Behörde – in diesem Fall das AMS, wie ein bestehendes Gesetz zu administrieren ist. Ein Ministeriumserlass braucht im Gegensatz zu einem Gesetz, einer Gesetzesänderung, oder einer Verordnung keine Zustimmung des Koalitionspartners. Es handelt sich ja schließlich um eine „Durchführungsbestimmung“, die bestehenden Gesetz nicht widersprechen darf und diese auch nicht verändert. Die gesetzlichen Zuverdienstmöglichkeit bei ALG oder NH-Bezug in Höhe der Geringfügigkeit bleibt also. An der Gesetzeslage ändert sich nichts.
Was der Erlass allerdings macht: Er gibt vor, wie das Gesetz auszulegen ist – in unserem Fall erhöht sich Druck auf Menschen die ALG oder NH beziehen und daneben geringfügig beschäftigt sind, indem sie sich künftig bei ihrem „geringfügigen“ Arbeitgeber um einen Vollzeit oder höheren Teilzeitjob bemühen müssen – wie auch immer das nachgewiesen werden soll. Legen sie dabei „mangelnde Eigeninitiative“ – ein so unbestimmter wie dehnbarer Begriff – an den Tag, droht ihnen – wie bereits erwähnt – die Sperre des Arbeitslosengeldes. Ob „mangelnde Eigeninitiative“ vorliegt, hat der/die Betreuer:in zu entscheiden. Das wird nicht nur zu sozialen Härten bei Betroffenen führen, sondern – davon gehen wir zumindest aus – auch zu jeder Menge Anfechtungen von ALG- oder NH-Sperren. Der Erlass ist also nur wenig zielführend und sinnvoll und führt nur zu unnötigen Schikanen, wird er so exekutiert, wie es sich das BMAW erhofft.
Der Erlass ist nicht zuletzt auch deshalb sinnlos, weil bereits jetzt ALG oder NH-Bezieher:innen die daneben geringfügig verdienen, dem Arbeitsmarkt Vollzeit oder zu (höherer) Teilzeit zur Verfügung stehen müssen. Die Ablehnung einer zumutbaren Vollzeit- oder Teilzeitstelle bzw. einer AMS-Maßnahme in höherem Stundenausmaß kann bereits heute zu einer Sperre von Arbeitslosengeld oder Notstandshilfe führen.
Es stellt sich daher die Frage, was der Arbeitsminister mit diesem Erlass tatsächlich zu erreichen gedenkt. Es ist wohl einmal mehr jede Menge Symbolik und PR – die allerdings nur zu zusätzlicher Unsicherheit und zu noch mehr Druck für Betroffene, die gar nicht anders können, als nur geringfügig zu arbeiten, führt.
Gründe für Geringfügigkeit bei Arbeitslosigkeit
Denn: Warum Menschen neben ALG und NH einer geringfügigen Beschäftigung nachgehen (müssen), kann viele Ursachen haben. Vor allem für Menschen in Langzeitarbeitslosigkeit ist ein geringfügiger Job ein Fuß in der Arbeitswelt, für Menschen mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen oder Betreuungspflichten oft sogar die einzige Möglichkeit, im Arbeitsleben zu bleiben. Ein Vollzeitjob geht sich aufgrund der Beeinträchtigungen einfach nicht aus. Gleichzeitig braucht’s allerdings den Zuverdienst, um einigermaßen über die Runden zu kommen. Für Menschen in Langzeitarbeitslosigkeit ist ein geringfügiger Job oft genug auch ein erster Schritt zurück in die Vollzeit-Erwerbstätigkeit. Den Druck auf diese Betroffenen zu erhöhen ist sinnlos, hinsichtlich der Wirkung höchst fragwürdig und führt nur zu unnötigen sozialen Härten. Viel sinnvoller wäre eine aktive Arbeitsmarktpolitik, die über Qualifizierung, Coaching und Beschäftigungsprogrammen den Betroffenen dabei hilft, wieder in gute Arbeit zu kommen.
Was ebenfalls im Erlass vorgesehen ist – und durchaus zu unterstützen: Dass Unternehmen, die aus geringfügiger Beschäftigung von Arbeitslosen ein eigenes „Geschäftsmodell“ gemacht haben (z.B. im Gastgewerbe), künftig schärfer kontrolliert werden sollen. Also Unternehmen die auffällig viele und häufig geringfügig Beschäftigte anstellen, die zusätzlich Arbeitslosengeld beziehen. Hier liegt der Verdacht nahe, dass oft genug deutlich mehr gearbeitet wird, als nur bis zur Geringfügigkeit – das allerdings „schwarz“. Gegen diese Unternehmen vorzugehen, macht natürlich Sinn. Und würde auch vollkommen reichen, um derartige geringfügige Beschäftigungsverhältnisse einzudämmen. Denn: Wo keine Geringfügigkeit mehr angeboten wird, weil sonst Steuerprüfer, Finanzpolizei oder die ÖGK-Prüfer vor der Tür stehen und saftige Strafen drohen, wird es ein entsprechendes „Geschäftsmodell“ auch nicht mehr geben. Da braucht es nicht mehr Druck auf Arbeitslose – abgesehen davon, dass der Sanktionsapparat bereits heute streng genug ist.
Zusammenfassend also …
Im Rahmen der Verhandlungen zu einer Reform der Arbeitslosenversicherung haben wir die Abschaffung der Zuverdienstmöglichkeiten zu ALG und NH verhindert. Jetzt versucht das BMAW über einen Erlass die Bedingungen, unter denen geringfügig dazuverdient werden kann, zu verschärfen. Das kann der Minister ohne unser Einverständnis machen, weil es eine innerministerielle Anweisung an nachgeordnete Behörden ist. Wir sehen diesen Erlass allerdings weder zielführend – wenn man mehr Menschen in gute statt prekäre Beschäftigung bringen will – noch durchführbar. Und es drohen dadurch nur unnötige Härten zu entstehen. Der Erlass sollte daher bei der erstbesten Gelegenheit wieder aufgehoben werden.
Viel wirkungsvoller, um geringfügige Beschäftigung bei Arbeitslosigkeit einzudämmen, ist aktive Arbeitsmarktpolitik, eine Erhöhung des Arbeitslosengelds, eine Valorisierung der Notstandshilfe und schärfere Kontrollen bei Unternehmen, die aus der „Geringfügigkeit“ ein Geschäftsmodell machen.