#Beschlossen: Ein nächster Schritt gegen Kinderarmut

Gestern hat der Nationalrat den zweiten Teil des Pakets für Kinder aus armutsgefährdeten Familien, ein Paket zur Eindämmung von Kinderarmut – beschlossen. Kinder, deren Eltern

    • die Mindestsicherung bzw. Sozialhilfe,
    • Arbeitslosengeld oder Notstandshilfe,
    • eine Ausgleichszulage beziehen
    • oder alleinerziehend bzw. alleinverdienend bis 2000 Euro brutto/Monat

sind, erhalten zu den aktuell bestehenden Familienleistungen (wie Familienbeihilfe, Kinderabsetzbetrag, Kindermehrbetrag, Kinderzuschlag in der Sozialhilfe, Familienzuschlag im ALG bzw. in der NH) zusätzlich 60 Euro monatlich je Kind – und das über eineinhalb Jahre, von Juli 2023 bis Dezember 2024.

Zusätzlich – bereits im letzten NR-Plenum – wurde die

    • Erhöhung und Verdoppelung des Schulstartpakets für Kinder von Sozialhilfe/Mindestsicherungsbezieher:innen – beschlossen: Das Schulstartpaket wird von 120 auf 150 Euro erhöht und künftig zweimal ausbezahlt. In Summe 300 Euro.
    • Weiters werden Mindestsicherung und Sozialhilfe bis Ende 2023 – dann findet die nächste reguläre Erhöhung statt – um 60 Euro erhöht.

Gemeinsam mit der Valorisierung – also der automatischen, jährlichen Erhöhung von Sozial- und Familienleistungen um die Inflationsrate sind die 60 Euro eine nächste wichtige, zielgerichtete Maßnahme, um Kinderarmut einzudämmen. Eine Maßnahmen die auch ausdrücklich von Sozialverbänden und –initiativen und Wirtschaftsexpert:innen unterstützt und begrüßt wird.

Alle Auszahlungen erfolgen automatisch – also ohne Beantragung – der Anspruch ist klar gesetzlich geregelt. Kein „Bittstellertum“, keine „Almosen“. Sondern verbrieftes Recht.

Grafik: Budgetdienst. Eindeutig geht aus der Analyse des Budgetdienstes hervor, dass die Haushalte mit den niedrigsten Einkommen am stärksten vom beschlossenen Paket zur Eindämmung der Kinderarmut profitieren. 2023 erhöht sich das Jahreseinkommen der ärmsten Haushalte alleine durch die 60 Euro monatlich am Juli 2023 um 1,4 %, 2024 erhöht sich das Jahreseinkommen um 2,3 %.

Was bringen Valorisierung und Paket zur Eindämmung der Kinderarmut nun ganz konkret? Ein paar Beispiele (für das zweite Halbjahr 2023):

    • Eine alleinerziehende Teilzeitbeschäftigte mit zwei Kindern (7 Jahre und 11 Jahre), die ihr Einkommen mit der Sozialhilfe aufstocken muss erhält ab Juli 2023 zusätzlich zu den Kinderzuschlägen in der Sozialhilfe (je nach Bundesland unterschiedlich hoch) 60 Euro Erhöhung der Sozialhilfe und 120 Euro für ihre Kinder. Weil beide Kinder in die Schule gehen, erhält sie zusätzlich mit Schulbeginn Schulstartpakete im Wert von 300 Euro. Aufgrund der Valorisierung von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag sowie der 60 Euro zusätzlich, „erhöht“ sich die gesamte Kinderbeihilfe von knapp 180 Euro (6-Jähriger 2022) auf knapp 251 Euro (2023) und 269 Euro (2024) – also um rund 89 Euro/Monat. Beim 11-jährigen Kind erhöht sich die Kinderbeihilfe von 199,9 (2022) auf 271,5 (2023) und knapp 291 Euro (2024). Insgesamt erhöht sich das Familieneinkommen durch die Valorisierung und das aktuelle Paket im Jahr 2023 (Juli bis Dezember) im Vergleich zu 2022 um rund 1.270 Euro. Dazu kommt der 2022 auf bis 550 Euro erhöhte Kindermehrbetrag, der für jedes Kind geltend gemacht werden kann.
    • Ein Haushalt mit einem Notstandshilfebezieher, der für sein Kind (13 Jahre) bereits einen Familienzuschlag von 30 Euro erhält, bekommt künftig 60 Euro zusätzlich je Monat. Der Familienzuschlag verdreifacht sich damit, von 30 auf 90 Euro – ein langjährige Forderung von Sozialverbänden und Gewerkschaften. Für ihn erhöht sich die Kinderbeihilfe im Vergleich zu 2022 (Valorisierung und Zuschlag von 60 Euro) von 199,9 Euro auf 271,5 Euro, also um fast 72 Euro monatlich – das ist 2023 im Vergleich zu 2022 ein Plus von ca. 430 Euro.
    • Eine Alleinerzieher:in mit einem Monatseinkommen von 1.800 Euro/brutto und zwei Kindern (4 und 8 Jahre) erhält im Vergleich aufgrund der Inflationsanpassung der Familienbeihilfe und der 60 Euro von Juli bis Dezember 2023 monatlich für den 4-Jährigen und die 8-Jährige je knapp 251 Euro je Monat (2022: 180,3 Euro) – das sind in Summe rund 840 Euro mehr Kinderbeihilfe als im Vorjahr. Dazu kommt der 2022  auf bis 550 Euro erhöhte Kindermehrbetrag/Jahr, der für jedes Kind geltend gemacht werden kann.

Diese Hilfen erhöhen sich – mit der Valorisierung von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag – 2024 noch. Im Vergleich zu 2019 – dem letzten Jahr vor der Inflationspassung von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag – erhöhen sich die Familienbeihilfen für betroffene Familien zwischen 45 und 50 Prozent. Unterstützungen zur Eindämmung der Armutsgefährdung bei Kindern, wie es sie zuvor noch nie gegeben hat.

Wird damit Kinderarmut nun abgeschafft?

Nein. Das ist über singuläre, monetäre Maßnahmen auch gar nicht machbar. Kinderarmut ist nicht alleine mit mehr Geld bekämpfbar. Dazu braucht es ein ganzes Bündel an Maßnahmen, von Investitionen in soziale Infrastruktur (Kindergärten, Ganztagschulen, Ausbildung von Elementarpädagog:innen, Adaptierungen von Schulgebäuden für Versorgung mit Mittagessen etc.), arbeitsmarktpolitische Maßnahmen um armutsgefährdete Eltern dabei zu unterstützen, in gut bezahlte, stabile Beschäftigungsverhältnisse zu kommen. Das aktuelle Paket und die Valorisierung der Familien- und Sozialleistungen ist allerdings ein wichtiger Schritt, um gezielt Kinderarmut einzudämmen und die finanzielle Situation besonders armutsgefährdeter Familien zu verbessern.

Und ja, das ersetzt natürlich auch keine allgemeine Kindergrundsicherung – wie von Grünen, Sozialverbänden etc. angestrebt (abgesehen davon, dass es „das“ Modell gar nicht gibt). Aber es ist ein Schritt dahin. Alleine schon, dass erstmals eine Zusammenführung und Abgleichung verfügbarer Daten besonders armutsgefährdeter Familien stattfindet und die Auszahlung nicht über Antrag, sondern automatisch erfolgt, ist ein wichtiger Schritt, organisatorische Rahmenbedingungen für eine Kindergrundsicherung – deren Umsetzung, wie sich nicht zuletzt in Deutschland zeigt, alles andere als einfach ist – sein. Wir wagen diesen Schritt nun erstmals – im Wissen, dass dabei auch Probleme auftreten können.

Mit der Höhe der Kinderbeihilfe(n) für armutsgefährdete Haushalte, die sich aus Valorisierung und 60 Euro ergibt, bewegen wir uns hinsichtlich der Höhe im Bereich der „universellen“ Kindergrundsicherung, wie sie der Volkshilfe in ihrem Modell vorschwebt. Und das ist schon einiges, worauf kommende Regierungen aufbauen können, wenn sie es mit der Bekämpfung von Kinderarmut tatsächlich ernst nehmen.

PS: Wichtig! Alleinerzieher:innen und Alleinverdiener:innen sind dringend aufgerufen, für 2022 und 2023 eine Arbeitnehmer:innenveranlagung (Lohnsteuererklärung) zu machen und nicht zu vergessen den Alleinerzieher:innenabsetzbetrag (AEAB) bzw. Alleinverdiener:innenabsetzbetrag (AVAB) zu beantragen! Sonst weiß das Finanzamt nämlich schlichtweg nicht von der Alleinerzieher:innen/verdiener:innen-Eigenschaft und die 60 Euro werden nicht – bzw. erst viel später – überwiesen. Nämlich erst dann, wenn die Lohnsteuererklärung gemacht wird …